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Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann: Im Reigen der Rebellen

Die Ausstellung hätte auch Jugendstil, Symbolismus und Impressionismus heißen können. Dann stünde der Interessierte nicht unter dem Eindruck, dass nur die Arbeiten der drei Männer hier von Bedeutung wären. Insgesamt sind nämlich 80 Künstler:innen vertreten. Im Fokus stehen die Secessionsbewegungen der Städte Wien, München und Berlin. Dort wandte sich eine junge Künstlergeneration vom akademischen und traditionellen Malstil ab und gründeten als Gegenbewegung bzw. ‚Abspaltung’ ihre eigenen Vereinigungen, die Secession eben. In den drei Städten ist jeweils eine andere künstlerische Richtung prägend, die die Titel gebenden Malerfürsten repräsentieren: In Wien ist es der Jugendstil mit seinem Star Gustav Klimt, in München macht sich Franz von Stuck mit dem Symbolismus einen Namen, in Berlin ist der Impressionist Max Liebermann die Leitfigur. Der Schein trügt jedoch, überall waren mehrere Strömungen gleichzeitig zugegen.  

Der zentrale Raum der Ausstellung ist dem Dreigestirn gewidmet. Da sind deren Klassiker, die ihren Stil definieren wie Klimts „Bildnis Emilie Flöge“, von Stucks „Die Sünde“ und die für Liebermann typische Biegartenszenen wie „In den Zelten (Restaurationsgarten – Biergarten in Leiden)“. Dazwischen reihen sich Bilder ein, die die gegenseitige künstlerische Beeinflussung sichtbar werden lassen. Zum Beispiel beim Griff zu Gold: Klimt lässt es 1895 in „Die Musik“ schillern, von Stuck verwendete es als Grund bereits 1891 in „Orpheus und die Tiere“. Beide huldigen in ihren Bildern auch gerne Tänzerinnen, Musiker und Schauspielerinnen. Wer im Kolbe Museum die Ausstellung zu Tilla Durieux[1] gesehen hat, wird auch hier wieder auf sie stoßen – gemalt von Stuck in der Rolle der Circe. Bei Liebermann hingegen, 15 Jahre älter als seine Kollegen, ist weder Gold noch die Bühne zu finden. Stattdessen rückt er seinen Blick auf die arbeitende ländliche Bevölkerung. Später folgen Erholungssuchende im Grünen.

Allen drei gemeinsam sind Landschaften und Portraits; ihre Ähnlichkeiten sind eine wahre Entdeckung. Insbesondere da diese Motive von Klimt in Berlin weniger bekannt sind. Ohnehin sind viele Klimt-Werke dabei, die nur in Berlin zu sehen sind und nicht in Wien ausgestellt werden. Allen voran „Serena Pulitzer Lederer“, eine Leihgabe aus dem Metropolitan Museum of Art in New York. Dafür werden in Wien andere Klimts miteinbezogen.

Die Werke der anderen Künstlerinnen und Künstler sind in den Räumen darum herum arrangiert nach Themen wie Frühling, die illustre Gesellschaft, die Freiheit der Kunst und Internationalität als Programm. Insgesamt sind es 13 Kapitel. Bei der Auswahl der etwa 200 ausgestellten Gemälde, Skulpturen und Grafiken haben die Kurator:innen Ralph Gleis[2] und Ursula Storch genau gearbeitet: Sie achteten darauf, dass diese damals Teil einer Secession-Ausstellung waren.

Jede Secession hatte eigene Aufnahmebedingungen für ihre Mitglieder. München machte 1892 den Anfang. Da die Künstler dort allerdings keinen Ausstellungsort fanden, nahmen sie ihre Arbeiten nach Berlin und präsentierten sie dort. 1894 organisierten sie eine Ausstellung in Wien. Die progressiven Kunstschaffenden Wiens gründeten 1897 ihre eigene Vereinigung, die auch Architekten aufnahm. Berlin zog 1899 nach und ließ auch Frauen als Mitglieder zu, darunter Dora Hitz, Julie Wolfthorn, Sabine Lepsius, Marina Slavona und Ernestine Schultze-Naumburg. Eigens für die Ausstellung hier erwarb man ihre „Dame in Weiß“. Selbst Frauen, die nicht Mitglied waren, konnte sich dafür bewerben, ihre Werke auszustellen. Emilie von Hallavanya und Anna Hillermann gehören zu den Künstlerinnen, die hier weniger bekannt sind. Beide zeigen nachdenkliche Selbstportraits.

Es ist eine sehr umfangreiche Ausstellung, doch nur wenige Abschnitte regen zum Verweilen ein. Dazu gehört „Secession als Marke“. Sie lässt tiefer in die Zeit blicken und vermittelt über Fotos und kleine Ausstellungskataloge, wie die Vereinigungen organisiert waren. Besonderen Eindruck machen die zahlreichen Poster, die für die damaligen Secessionsausstellungen werben. Sie sind interessant, weil sie sich die Bewegungen damit selbst repräsentieren und Aufschluss darüber geben, an welchen renommierten Adressen ihre Ausstellungen stattfanden. Entworfen wurden sie nicht nur von Klimt und von Stuck, sondern ebenso von Otto Kokoschka, Alfred Roller und Thomas Theodor Heine.

Lange währten die Künstlervereinigungen in ihren ursprünglichen Formen nicht. Dienten sie einerseits der gegenseitigen Unterstützung, waren auch Rivalität und Streitereien nicht zu vermeiden. Es kam zu Austritten und neuen Formierungen, so verliefen die Entwicklungen der Vereinigungen unterschiedlich.

In Berlin verschwand die Secession im Nationalsozialismus von der Bildfläche. In München ist sie nach dem Krieg wiederbelebt worden und veranstaltet noch heute Ausstellungen an unterschiedlichen Orten. Einzig in Wien bildet die Secession bis heute eine angesehene Künstler:innen-Vereinigung. Im 1898 fertiggestellten Ausstellungsbau befindet sich das für die XIV. Ausstellung geschaffene Beethovenfries von Gustav Klimt. In den weiteren Räumen veranstaltet die Wiener Secession weiterhin vielbeachtete Ausstellungen zeitgenössischer Kunst.

Die Ausstellung in der alten Nationalgalerie greift diese Erzählungen jedoch nicht auf, sondern setzt 1913 ein Ende, als sich Künstler von der Secession ebenso abspalteten und mitunter die Neue Secession gründeten.

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[1] Die Ausstellungskritik und ein Video mit Kuratorin Daniela Gregori in der in Wien gezeigten Version der Ausstellung --> gibt es HIER

[2] Ralph Gleis wurde am 5. Juli von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer als Nachfolger von Klaus Albrecht Schröder als Generaldirektor der Albertina präsentiert. Ein Interview mit dem neuen Leiter --> finden Sie HIER

Mehr Texte von Sabine Schereck

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Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann
23.06 - 22.10.2023

Alte Nationalgalerie
10178 Berlin, Bodestr. 1-3
Tel: +49(0)30 - 2090-5801, Fax: +49(0)30 - 2090-5802
Email: ang@smb.spk-berlin.de
http://www.smb.spk-berlin.de/smb/sammlungen/details.php?objectId=17
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So 10.00 - 18.00, Do 10.00 - 22.00


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