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Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen: Eine Lebensgeschichte in Bildern

Dem Leben einer gefeierten Schauspielerin eine Ausstellung in einem klassischen Kunstmuseum zu widmen, mag auf den ersten Blick unüblich erscheinen. Im Fall von Tilla Durieux macht es aber ausgesprochen Sinn, das Leopold Museum temporär in ein Theatermuseum zu verwandeln, das dann doch wieder mit herausragenden Werken der Malerei brillieren kann.

Ottilie Godeffroy, geboren im Jahr 1880 in Wien, erlebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur eine beeindruckende Karriere als Schauspielerin, sondern galt als Rolemodel für die moderne, aufgeschlossene und selbstständige Frau und wurde nicht zuletzt durch ihre Lebensumstände zu einer der meist porträtierten Frauen ihrer Zeit.

Trotz großen Widerstands ihrer Mutter setzte sie durch, in Wien eine Schauspielschule zu besuchen. Sie nimmt den Künstlernamen Durieux an, nach dem Geburtsnamen du Rieux ihrer Großmutter väterlicherseits und debutiert 1901/2 in Olmütz. Nach Engagements in Stuttgart und Breslau geht sie nach Berlin und spielt ab 1903 an der Bühne Max Reinhardts in Berlin. Von da an beginnt auch ihre Verbindung zur bildenden Kunst, in die sie sich neben der Theater- auch in die Kunstgeschichte eingeschrieben hat.

Im Jahr 1904 heiratete Durieux den Maler Eugen Spiro, doch die Ehe hält kaum länger als ein Jahr und es bleibt nicht viel mehr davon als einige Zeichnungen und das Porträt „Dame mit Hund“, das die Schauspielerin in entspannter Pose auf einem Sofa zeigt. Es ist eines von 14 Gemälden, die Kunsthistorikerin, Kuratorin und artmagazine-Autorin Daniela Gregori gemeinsam mit über 200 weiteren Werken zusammengetragen hat, um diese Lebensgeschichte in Bildern aus der Hand der bekanntesten Maler ihrer Zeit zu erzählen.

Der Grund für die Fülle an Porträts liegt nicht nur an ihrer Bekanntheit als Schauspielerin, sondern nicht zuletzt an ihrer Ehe mit Paul Cassirer, der damals zu den bedeutendsten Kunsthändlern Europas zählte. Cassirer ermutigte die von ihm vertretenen Künstler immer wieder zu Porträts der von ihm so geliebten Frau. Das wohl berühmteste stammt von Auguste Renior, der die Durieux im Jahr 1914 portraitierte und das heute zur Sammlung des Metropolitan Museum in New York gehört. Die Liste der Künstler:innen, denen sie Modell saß umfasst weiters Franz von Stuck, Max Slevogt, Oskar Kokoschka, Lovis Corinth, Mary Dumas und viele weitere. Im Bestand des Leopold Museum befindet sich ein Porträt von Max Oppenheimer, das sich am Beginn der Ausstellung findet. Die Ehe mit Cassirer wurde 1926 geschieden, worauf dieser direkt nach der Scheidung Selbstmord beging.

Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht nur auf die malerischen Highlights aus dem an Dramatik wahrlich nicht armen Leben der Schauspielerin. Anhand von Zeitungsausschnitten, Fotografien, Rollenporträts und Dokumenten aus Durieux‘ Archiv zeichnet Daniela Gregori das Leben einer Frau nach, die sich nicht nur im Glanz ihrer Karriere sonnte, sondern zeitlebens soziale Projekte und Frauen unterstützte. Ganz bewusst setzt Durieux ihre Portraits und Fotos ein, inszeniert sich nicht nur als Diva, sondern auch als moderne Frau. Gezeigt werden ihr politisches Engagement für verfolgte Revolutionäre in Berlin, die Flucht 1933 mit ihrem dritten Ehemann Ludwig Katzenellenbogen zuerst in die Schweiz, dann nach Zagreb in Kroatien. In Belgrad wurde sie 1941 während eines Bombenangriffs von ihrem Mann getrennt der noch im selben Jahr von der Gestapo verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt wurde. Er starb 1944 im Jüdischen Krankenhaus Berlin während Tilla Durieux in Zagreb blieb und dort die Partisanen unterstützen konnte.

In den 1950er Jahren kehrte sie nach Deutschland zurück, wo sie weiterhin auf der Bühne und in Filmproduktionen zu sehen war. 1967 stiftete sie ein Collier das sie einst von Paul Cassirer erhalten hatte als Tilla-Durieux-Schmuck, der seitdem alle zehn Jahre an eine hervorragende Vertreterin der deutschen oder der österreichischen Schauspielkunst verliehen wird.

Das Collier, dessen Trägerin aktuell die deutsche Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide ist, bildet den Schlusspunkt der Ausstellung, die mehr ist, als eine Aneinanderreihung von Gemälden und Bühnenerfolgen. Sie zeigt eine Frau des 20. Jahrhunderts, die ihre Rollen auf der Bühne und in der Gesellschaft aktiv gestaltete, ihre Bekanntheit politisch und sozial nutzte und als Kämpferin für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit genauso einflussreich war, wie als Schauspielerin.

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Nach der Station im Leopold Museum wandert die Ausstellung an das Georg Kolbe Museum in Berlin (13. Mai bis 20. August 2023), nur das Portrait von Auguste Renoir muss nach seiner Präsentation in Wien wieder zurück nach New York.

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog im Verlag Walther König erschienen:
Tilla Durieux. Eine Zeitzeugin und ihre Rollen
Leopold Museum, Wien
Herausgeber: Daniela Gregori, Hans-Peter Wipplinger
ISBN-13: 9783753303369

Mehr Texte von Werner Remm

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Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen
14.10.2022 - 27.02.2023

Leopold Museum
1070 Wien, Museumsquartier
Tel: +43 1 525 70-0, Fax: +43 1 525 70-1500
Email: leopoldmuseum@leopoldmuseum.org
http://www.leopoldmuseum.org
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h


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