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Fagans Klageroute

Deutschland und Österreich haben etwas gemeinsam: eine je 18 Milliarden Dollar schwere Klage des nicht unumstrittenen US-Anwalts Ed Fagan Wien war stellvertretend für Österreich nach Berlin für Deutschland Ed Fagans zweite Station und es wird nicht die letzte sein. Paris steht für Frankreich schon auf der Liste und kommende Woche soll es dann in den USA zur Sache gehen. Zuvor institutionalisierte er noch seine (anonyme) Klientengruppe und gründete die AHVRAM (Association of Holocaust Victims for Recovery of Artwork and Masterpieces). Allerorts stellt der US-Anwalt nun im Namen dieser Holocaust-Opferorganisation medienwirksam die in den USA eingebrachten Klagen zu. Und davon ist - zumindest in Österreich - so gut wie jede größere Institution betroffen, die auch nur annähernd mit NS-Kunstraub zutun gehabt haben könnte. Neben heimischen Bankinstituten (BA-CA, Erste Band) jetzt die Republik (Finanz- und Bildungsministerium inklusive), Museen (Sammlung Leopold, Kunsthistorisches Museum), auch das Denkmalamt (wegen erteilter Ausfuhrgenehmigungen), die Nationalbank und das Dorotheum. Noch regiert der Konjunktiv, deshalb, weil Fagan auf seinem Eroberungsfeldzug bislang weder exemplarische Fälle, noch Namen vorlegt und kein einziges Kunstwerk benennen kann. Rückgabe aller Kunstwerke Pauschal klagt er, wie DER STANDARD in seiner Ausgabe vom 2. Juli berichtet, „die Rückgabe aller Kunstwerke ein“. Und diese Totalität beziffert er mit 18 Milliarden Dollar, umgerechnet knapp 14,6 Milliarden Euro. Was er en detail im Sinne hat, kann man seit seinem Auftritt vor dem Finanzministerium in Berlin vergangene Woche vermuten. „Die Deutsche Regierung hat bereits eine Million Kunstwerke zurückgegeben und nur noch jene in Verwahrung, deren Eigentümer unbekannt sind“, verlautbarte ein Regierungssprecher. Und öffentlich bestätigte man auch, dass es sich um Werke im Versicherungswert von rund 59 Millionen Euro handelt. AHVRAM steht auf dem Standpunkt, dass diese Kunstwerke verkauft werden sollen und der Erlös den Holocaust-Opfern zugute kommen soll. Die Auktionshäuser könnten sich über diese Schwemme fast freuen, wäre da nicht der Umstand, dass all jene, die bereits während des organisierten Nazi-Kunstraubs geschäftlich aktiv waren, ebenfalls betroffen sind. Und dabei fällt ihnen eine verdammt undankbare Rolle zu, denn Auktionshäuser waren und sind niemals im Besitz von Kunstwerken gewesen, sondern haben stets nur den Besitzerwechsel vermittelt. Der Gewinn aus diesen Geschäften war und ist die Provision. Insofern könnte der Kunsthandel (Antiquitätenhändler & Galeristen) ganz pauschal auch schon mal zu zittern beginnen. Versteigern = Handel mit Raubkunst = Klagegrund Im Dorotheum, ebenfalls auf der Liste von Fagan, kennt man den Inhalt der Klage nicht, und bislang ist auch niemand an das Auktionshaus herangetreten. „Sobald die Vorwürfe konkret sind, können wir auch Stellung dazu nehmen“, merkt Unternehmenssprecherin Doris Krumpl an. Ähnlich ist die Lage bei Sothebys, auch wenn hier bereits eine Stellungnahme vorliegt: Beim New Yorker Supreme Court wurde über die AHVRAM eine Klage eingereicht, die auf der Beschuldigung basiert, dass Sotheby’s seit den 1970er Jahren bis heute im Geschäftsbereich des Handels mit Raubkunst aktiv ist. Dies stimmt bedingt, als beispielsweise im Rahmen der jüngsten Impressionst-Auktion ein den Nachkommen von Hermine Lasus im November 2000 von der Österreichischen Galerie restituiertes Klimt-Gemälde in London erfolgreich versteigert wurde: Das auf zwei bis drei Millionen geschätzte „Bauernhaus mit Birken“ wechselte für etwas mehr als zur unteren Taxe den Besitzer. Allerdings ist die Klage inhaltlich insofern interessant, als es die Frage aufwirft, auf welche Weise sonst - beispielsweise die erwähnten Kunstwerke in Deutschland - denn gemäß den Faganschen Vorstellungen verkauft werden sollen. Bilderspuren und ein Hearing Sotheby’s wurde die Klage bisher nicht zugestellt. Anfang Juni versuchte die hauseigene Rechtsabteilung Kontakt mit AHVRAM bzw. Ed Fagan aufzunehmen. Das schriftliche Vorschlag zu einem Treffen blieb Fagan-seitig bis heute unbeantwortet - ein Antrag auf Abweisung der Klage wurde schon mal eingereicht. Denn seitens Sotheby’s ist man sich keinerlei Schuld bewusst - im Gegenteil, zählt man doch zu den Gründungsmitgliedern einer spezialisierten Datenbank innerhalb des Art Loss Registers. Hintergrund dürfte das im Rahmen der von Fagan via Pressekonferenz verlautbarten Klage gegen die Bankaustria-Creditanstalt im Frühjahr erwähnte Gemälde „Der Berg Sinai“ von El Greco sein. Das Bild stammt aus der Sammlung Hatvany und soll laut Fagan über Sotheby’s Wien nach London verbracht, dort auktioniert und heute in Kreta beheimatet sein. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, gab sich Fagan gegenüber dem STANDARD im April siegessicher. Man habe „Spuren von bis zu 100 Bildern“ gefunden und die Klage könnte sich auf mehrere Hundert Millionen US-Dollar ausweiten. Kommende Woche, exakt am 8. Juli, kündigte Fagan gegenüber der APA an, findet in New York ein Hearing „bezüglich Hatvany und Sotheby’s statt“.
Mehr Texte von Olga Kronsteiner

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Schadenersatz wegen NS-Kunstraubhandel ist ausgeschlossen!
uhu | 05.07.2004 10:41 | antworten
natürlich ist das Masche; erst mal einen allgemeinen Medienwirbel zu machen, der sich dann wegen fehlender Konkretisierung in Luft auflöst, sprich zur Zurückweisung der Klage führt: Berücksichtigt man, dass Österreich aufgrund der seit 1999 laufenden Provenienzforschung von sich aus restituiert, kann nicht mehr viel übrig sein, das zu klagen sich rechtfertigen würde.

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