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The Window And The Couch: Freud, locker zitiert

Wie bereits in unserem Interview mit Becca Hoffmann anlässlich des Kick-Off-Abends berichtet (⤇ HIER geht es zum Interview), will die amerikanisch-französische Kunstmanagerin mit ihrer Organisation 74th arts im Rahmen von weltweiten Pop-Up-Events unterschiedliche Bereiche der Kultur zusammenbringen. So wird sie kommenden Oktober in Mailand Mode, Design und Kunst in einer Ausstellung zusammenbringen.

Zuvor wurde aber in Wien, genauer die Bibliothek des West, als Location für eine Auseinandersetzung mit einem zutiefst wienerischen Thema ausgewählt: Sigmund Freud, der Urvater der Psychoanalyse steht Pate für eine Auswahl an Designstücken und Kunstwerken, die einen losen und lockeren Parcours ergeben, Er wohnt allerdings nicht immanent in allen Werken, was aber der Schau keinen Abbruch tut.

Den schlüssigsten Teil der Ausstellung haben Alice Stori Liechtenstein (Schloss Hollenegg für Design) und die Designerin Johanna Pichlbauer zusammengestellt. Ihr Projekt Berggasse 19 visualisiert eine zeitgenössische und vor allem moderne Variante von Sigmund Freuds Behandlungs- und Arbeitszimmer. Die originale Einrichtung Freuds in der Berggasse war recht konservativ, der Orientteppich über dem Sofa und der Wandteppich dahinter vermittelten eine gewisse Schwere, das Arbeitszimmer war vollgestellt mit allerlei Figuren und natürlich Büchern. Im West herrscht Leichtigkeit – die Couch von Jonathan Trayte wirkt transparent mit ihren Stahlstreben, David Tavčars Teppich ist ein (unlösbares) Puzzle aus klassischen Knüpfmustern und Theresa Bergers Vasen mit Pflanzenarrangements mögen als Zitate schleimiger Monster unter dem Bett verstanden werden, doch der Witz und die überraschende Funktionalität der Objekte überwiegt.

Im mittleren Teil der Schau wird dem Orientteppich nochmals gehuldigt in einer Sofa- und Soundinstallation von Darius Edlinger und Eoos Next, die ursprünglich im Auftrag des Wientourismus für die Lounge auf der Art Basel konzipiert wurde, aber aufgrund der Messeschließungen in der Pandemie nicht realisiert werden konnte. Musiker und Produzent Darius Edlinger steuert dazu einen „Wien-Sound“ bei, der von Fiaker bis Pummerin gängige Wien-Klischees hörbar macht.

Der Kunst-Teil der Ausstellung wurde von Simon Rees (der ebenfalls in unserem Interview zu hören und zu sehen ist) kuratiert. Rees legt die Bezüge zur „Vaterfigur“ Sigmund Freud als weite Begriffswolke an, vom automatisierten Zeichnen bis zur Zigarre und der daraus resultierenden Krebserkrankung Freuds. Birgit Knoechl ist mit ihren Monotypien vertreten, deren Produktionsprozess einen hohen Anteil an Zufall beinhalten. Sie hat für die Blätter ein Displaysystem entwickelt, das eine offene Gruppierung der Arbeiten im Raum ermöglicht. Unweit davon führt Kristina Kulakova vor, wie schnell die eigene Psyche Gedanken ausblenden kann. Setzt man sich auf ihren mit spitzen Nägeln versehenen Stuhl, konzentriert sich die Wahrnehmung ausschließlich auf die mit den Nägeln in Berührung stehende Körperpartie. Für den Nebenraum hat Rees noch Fotos aus Kulakovas Serie Trauma Bondage ausgewählt. Die anfangs absurd erscheinenden Kombinationen von Lavagestein und Luftballons eröffnen Fragen nach Verletzlichkeit und körperlicher Balance. Der israelische Künstler Ben Wadler, dessen Familie vor den Nazis aus Wien fliehen musste, begreift seine Installation als „Picknick mit meinem Unterbewusstsein“. Zwischen zwei als Forty Portals 32 & 33 bezeichneten Skulpturen platziert er ein Panoptikum an Erinnerungsstücken und Querverweisen, von Pokalen bis Teddybären von Kaffeetassen zu Modellen von Franz Wests Lemurenköpfen. Wie weit Rees die Grenzen steckt zeigt er mit den Werken von Monica C. LoCascio. Die für die Künstlerin eigentlich mit Verweis auf den Architekten Buckminster Fuller geschaffenen Metallarbeiten, werden kurzerhand zu Illustrationen von (Ritual)Masken indigener Völker umgedeutet. Und während Sigmund Freud den Wald als weibliches Symbol der Schambehaarung definierte, blicken wir auf Francis Ruyters Acrylbilder von bunten Blättern und Dickichten, denen so gar nichts unheimliches innewohnt.

Alle Kunstwerke und Designstücke in der Ausstellung sind käuflich zu erwerben. Es gibt regelmäßige Veranstaltungen an unterschiedlichen Locations, kommendes Wochenende etwa eine „Geruchstour“ von Ema Kaiser, Marion Faber und Kussmund oder „Zigarren, Scotch Whiskey und Lacan“ zur Vorbereitung auf die Sommersonnenwende.

⤇ Zum Programm HIER

Mehr Texte von Werner Remm

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The Window And The Couch
04 - 26.06.2024

Bibliothek des West
1090 Wien, Augasse 2-6
https://www.74tharts.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 14-19, Sa & So 12-18h


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