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Das Leben der Din­ge.
Geraubt – verschleppt – gerettet: Objekt und Kontext

Der kleine, heute zu Bad Ischl gehörende Markt Lauffen war während des Zweiten Weltkrieges für kurze Zeit der wichtigste Museumsstandort Österreichs. Ab Dezember 1944 wurden im Lauffener Bergwerk die bedeutendsten Werke der österreichischen Museen eingelagert, um sie vor Zerstörung und Raub im Krieg zu schützen. Das Lentos hat im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres im Salzkammergut ein dreiteiliges Ausstellungskonzept entwickelt, das sowohl auf diese Sicherungsmaßnahmen Bezug nimmt, als auch die von Adolf Hitler befohlenen Raubzüge und Enteignungen von Kunstwerken und deren Verbringung in die Region nachzeichnet und sich mit den Profiteuren der Arisierungen im Kunsthandel auseinandersetzt [1].

Das Kammerhofmuseum in Bad Aussee erinnert an die schillernde Figur des Berliner Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt, Gründer des Lentos (eröffnet als „Neue Galerie der Stadt Linz“), der ab 1940 mit seiner Familie überwiegend in Bad Aussee wohnte. Gurlitt hatte selbst jüdische Wurzeln, profitierte trotzdem vom Handel mit arisierten Kunstwerken und spielte eine wichtige Rolle im Wiederaufbau des kulturellen Lebens im Land Salzburg nach Kriegsende [2].

Für das jüngst neu renovierte ehemalige Marktrichterhaus in Lauffen haben Lentos-Direktorin Hemma Schmutz und Künstler Markus Proschek eine Ausstellung entwickelt, mit der die Thematik von Raub und Enteignung von Kulturgut in die Gegenwart transferiert wird. Der Filmessay „Auch Statuen sterben“ von Alain Resnais, Chris Marker, und Ghislain Cloquet aus dem Jahr 1953 definiert am Beginn der Ausstellung den Rahmen, an dem sich die einzelnen Werke orientieren. Was geschieht mit kulturellen Artefakten wenn sie aus den Gesellschaften entfernt werden, in denen sie in unterschiedlichen Nutzungszusammenhängen gebraucht wurden? In den mit kolonialer Raubkunst vollgestellten Museen erfährt man bis heute meist wenig über die wahre Rolle dieser Objekte. Einer der international bekanntesten Akteure in diesem Feld ist der niederländische Künstler Renzo Martens, der gemeinsam mit CATPC, einem Kollektiv von Plantagenarbeiter:innen aus der Demokratischen Republik Kongo, Projekte realisierte, die sich nicht nur mit der Thematik auseinandersetzten, sondern konkrete Aktionen zur Verbesserung der Lebenssituation der Arbeiter:innen beinhalten [3].

Den abstrakteren Weg geht die österreichische Fotografin Anja Ronacher in ihren „Porträts“ von Objekten aus Museen, die sie bei der Ausarbeitung jeglichen Kontexts bis hin zum umgebenden Display beraubt und somit wie im einleitenden Film die Frage nach dem wahren Sinn hinter dem Artefakt stellt, während Dierk Schmidt gegenüberliegend die Frage nach der Rolle der Vitrine im Museumskontext stellt. Schicksale von Objekten können vielfältig sein und selbst bei der Restitution passieren immer wieder Fehler. Das Gemälde „Apfelbaum II“ von Gustav Klimt wurde im Jahr 2001 von der Republik Österreich an die falschen Personen restituiert – eine nicht umkehrbare Entscheidung, für die erst im Jahr 2023 eine „Lösung“ in Form einer Ausgleichszahlung gefunden wurde. Ines Dujak macht daraus eine Räubergeschichte mit kleinen Ganoven-Plastiken die sich des Gemäldes bemächtigen.

Enteignungen, Plünderungen und die Vernichtung von Kulturgütern sind Phänomene die sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte ziehen. Dagegen setzt Oliver Laric die Strategie, 3D-Scans von antiken Skulpturen öffentlich verfügbar, unlimitiert reproduzierbar und somit quasi unzerstörbar zu machen. In seiner Arbeit im Rahmen der Ausstellung geht es allerdings um die digitale Wiederherstellung der ursprünglichen Version einer hermaphroditischen hellenistischen Figur, die ein britischer Sammler im 18. Jahrhundert zur liegenden Venus umgestalten ließ.

Es sind vielfältige Bezüge zwischen Objekten, deren ursprünglichen Zweck und der oftmals verworrenen Historie als Artefakte in Museen und Sammlungen, die von der Ausstellung thematisiert werden und eine spannende zeitgenössische Intervention im Kulturraum Salzkammergut bieten.

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[1] ⤇ Hier geht es zur artmagazine-Rezension der Ausstellung „Die Reise der Bilder“ im Lentos Kunstmuseum Linz
[2] ⤇ Details zur Ausstellung finden Sie hier
[3] ⤇ siehe dazu die artmagazine Kritik einer Ausstellung Renzo Martens‘ in Berlin

Mehr Texte von Werner Remm

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Das Leben der Din­ge.
Geraubt – verschleppt – gerettet

27.04 - 01.09.2024

Altes Marktrichterhaus Lauffen
4820 Bad Ischl, Marktstrasse 19


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