
Am Ende: Architektur. Zeitreisen 1959-2019: Vom Kapselturm zum Betonknast
„Wir wollen nicht in Betonk(n)ästen leben!“ Das fordert ein fetter Schriftzug auf der Mauer eines tristen Hinterhofs. Das Foto davon ist am Cover einer Broschüre mit dem schönen Titel: „Selbsthilfe im Altbau – Erfahrungen, Versuche und Vorschläge“ abgedruckt. Das Buch zählt zu den vielen tollen Fundstücken in der Ausstellung „Am Ende: Architektur. Zeitreisen 1959 – 2019“, mit dem das Architekturzentrum Wien seinen scheidenden Gründungsdirektor Dietmar Steiner ehrt. Die Zeitspanne schlägt dabei einen Bogen von dem Jahr, in dem der Congrès International d’Architecture Moderne aufgelöst wurde bis zu jenem, in dem Ridley Scotts „Blade Runner“ (1982) spielt. Diesen hielt Steiner damals für den „bedeutendsten Architekturfilm seit Metropolis von Fritz Lang“, für „revolutionär in der fast wissenschaftlichen Akribie, mit der unsere heutige Erscheinung der Umwelt um ca. vierzig Jahre ‚hochgerechnet‘ wurde“, wie er im November 1982 in der Presse schrieb. Die Kuratorinnen Karoline Mayer, Sonja Pisarik und Katharina Ritter tauchten ins Archiv des umtriebigen Architekturkritikers und –vermittlers ab. Sie arrangierten das dort vorgefundene und ergänzte Material in 24 Stationen zu einem Parcours, der wesentliche Architektur-Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte abbildet – von Phänomenen wie Strukturalismus und Metabolismus, illustriert durch die modulartig aufgebauten Gebäude eines Aldo van Eyck oder den futuristisch anmutenden „Capsule-Tower“ in Tokio von Kisho Kurokawa, über die „sanfte Stadterneuerung“ bis zu den Großbüros der Gegenwart, die weitgehend anonyme, megalomane Architektur schaffen. All das wird von fünf Kapiteln, dargestellt auf Wandtafeln, ergänzt, die sich der Gegenwart der Disziplin widmen. Verbindungen zum anderen Teil der Schau werden nicht didaktisch gezogen, sondern dem Publikum selbst überlassen. Dass sich gesellschaftliches Engagement wie jenes im Zuge der Spittelberg-Erneuerung heute etwa dort zeigt, wo Flüchtlinge selbst Gebäude errichten (wie etwa in dem Projekt „Re:Build“ von Pilosio Building Peace), liegt aber ohnehin nahe. So wurde die Hommage an Steiner nicht zu einer Nostalgieveranstaltung, sondern zu einer eindrücklichen Analyse.

06.10.2016 - 20.03.2017
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