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Formen des Auswurfs: Eklatanter Furor

Noch bevor man in den vollen Genuss der Ausstellung „Formen des Auswurfs“ in der Galerie der Stadt Schwaz kommt, ereilt den Betrachter ein eklatanter Furor: Im Eingangsbereich lauern überall auf dem Boden halbleere, aufgeplatzte und mit Farbe besprühte Popcorntüten, die auf Drippings des Action Painters Jackson Pollock anspielen. Man stolpert buchstäblich über diese eklig-bunten Konsumwaren und wird zusätzlich durch knackende Kaugeräusche, die sich über Lautsprecher verbreiten, physisch peinlich berührt. Der eigene Fluchtinstinkt wird akut. Bei „Poppin Pollock“ von Marlie Mul ist weder große Kunst noch rebellische Anti-Kunst ein Thema. Vielmehr sieht ihre Bodeninstallation nach einem parodistischen und schamlosen Angriff auf eine bestimmte künstlerische Praxis des sogenannten Formlosen und Ungestalten aus. Schlussendlich unterlaufen die durch die Kuratorin Cosima Rainer vorgestellten sieben Subjektpositionen zielbewusst auch „das hegemoniale kreative Selbst“ sowie jede makellose Reinheit einer authentischen Darstellung eines Individuums per se. Das vertraute Konzept des „informe“ von Georges Bataille steht hier als theoretisches Fundament für das gegenwärtige Zersetzen und den Auswurf von Subjektvierungsformen. Ihre verschlissenen Artikulationen basieren öfters auf Verdauungsprozessen von entgegensetzten Techniken, künstlichen Produktionsmitteln und tradierten Kunst-und Gewerbegattungen, die zum Neuen Aufbruch führen sollten. Und so besteht die fatale Anziehungskraft der scheinbar abstrakt-expressiven Bilder von Michaela Eichwald in ihren unkomfortabel-verqueren Formaten, schwer im Magen und Auge liegenden, schmierigen Formen und Materialien (Kunstleder, Lack) sowie schlammigen, bräunlichen Farbsetzungen. Außerdem verwendet Eichwald allerlei collagierte, graffiti-artige, hingeschmierte Kritzeleien mit zusätzlich derben Texten. Unter diesem umfangreichen Ballast fühlt man sich beinahe elend. Zum Glück geht es bei dem jüngeren Österreicher Florian Pfaffenberger vielerlei fröhlicher und bunter zu. Seine oft raumgreifenden Bildobjekte – teils gemalt, teils gestrichen -, die alltägliche Herausforderungen des modernen, unternehmerischen Selbst inkludieren, thematisieren sarkastisch und in slapstickshafter Manier mittels offensichtlicher Imitate, stolz herausragender schwarzer Fragezeichen und diverser objekthafter Substitute des bourgeoisen, das auf Statussymbole konzentrierte Leben. „Hobby Lobby“ nennt sich süffisant sein neuestes Deko-Produkt, das, wie auch die anderen seiner Werke, digitaler Ästhetik verpflichtet ist. „Romantische Organe“ in der gleichnamigen, sechsteiligen Porträtserie „R.O.“ von Ursula Hübner erscheinen als virtuelle Emanation. Wie die Akkorde in der Musik verschwinden die eigentümlichen, autonomen Gesichtszüge der einzelnen Frauen, Felicitas wie Valerie, zugunsten eines beliebigen, fluiden Bioplasmas, das keinem Modell und keiner Mimesis mehr entspricht. Die Malerin assoziiert und persifliert in ihren fiktiven, fantasmatischen Porträtvarianten zahlreiche Klischees des Frau-Seins wie Schleim, körperliche Sekrete und die „weibliche Natur“. Den persönlichen Ausdruck als „vakant“ erklärt auch Nicola Brunnhuber, indem er seine Werke in der Ausstellung verweigert. Stattdessen zeigt er als konzeptuellen Einfall die Zeichnungen eines anderen Künstlers namens Till Megerle, die eine schelmische Hommage an Batailles Text „Der große Zeh“ formulieren. Die verwendeten Materialien, wie billiges Papier, Kugelschreiber oder Tipp-Ex unterstreichen das Flüchtige dieser Werke. Dass Brunnhuber mit seiner spekulativen Entscheidung gleichsam die Kritik herausfordert, liegt auf der Hand. Eigentlich ist diese gezwungen, sich ihrer Aufgabe ebenso zu entziehen.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Formen des Auswurfs
20.02 - 02.04.2016

Kunstraum Schwaz
6130 Schwaz, Palais Enzenberg, Franz-Josef-Straße 27
Tel: 0043 52 42 73 98 3, Fax: 0043 52 42 66 89 6
Email: office@kunstraum-schwaz.at
http://www.kunstraum-schwaz.at
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-18, Sa 10-15 h


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