Werbung
,

Anna Jermolaewa: Machtwechsel

Die neue Ausstellung von Anna Jermolaewa bei Kerstin Engholm beschäftigt sich mit dem Gewähren und Behaupten von politischer Herrschaft und ihren Transformationsprozessen.

Im Frühjahr 2015 verabschiedete die in ihrem Osten von Russland bedrängte Ukraine, ein „Dekommunisierungs-Gesetz“, wonach Leninstatuen und andere Symbole der UdSSR systematisch abgetragen werden sollten. Im Sommer 2015 reiste Jermolaewa 2000km durch die Ukraine um den Vollzug dieses Gesetzes fotografisch festzuhalten und mit verschieden Augenzeugen der Demolierung zu sprechen. Auch Ortsbewohner die lange mit diesen Symbolen kommunistischer Herrschaft lebten kommen im Video zu Wort.

Im Galerieraum vor einer Wand einzeln gerahmter Fotografien liegt eine mit Goldfarbe lackierte, beschädigte Leninstatue. Sie stammt aus dem Dorf Kaschperovka. Die Dorfbewohner hatten sie nach der Demontage in der „Besenkammer“ des Rathauses verräumt.

Wie ein gefällter Baum, eine Größe aus vergangen Jahren, liegt die Figur schräg im Galerieraum und unterstreicht die Fotografien der ihrer Monumente beraubten Sockel, die in vielen Fällen mit den Farben der ukrainischen Nationalflagge bemalt wurden. Die Podeste stehen in verwilderter Landschaft, ehemaligen Parks oder Gartenanlagen und verwittern vor sich hin. Sie erwecken den Eindruck von Beiläufigkeit und Nebensächlichkeit und nicht zuletzt auch von Vergänglichkeit.

Dass die ukrainische Regierung sich von den letzten Symbolen der Anbindung an Russland trennt, nachdem sie jahrelang die russische Dominanz im Osten des Landes geduldet hatte, ist in dieser Ausstellung sehr sinnlich zu erfahren. Erst die Maidan-Bewegung machte diese letzte Loslösung auch von kommunistischen Symbolen möglich. Diese politische Kurskorrektur ist bei machen Bewohnern der Orte, die Jermolaewa besuchte, noch nicht angekommen oder gar nicht erwünscht, wie die geführten Interviews von Jermolaewa zeigen.

Kunst ist in erster Linie immer eine Behauptung. Das kann man ebenso von Politik sagen. Wie brüchig und vergänglich diese Ideologien sind, kommt sehr eindruckvoll in dieser Arbeit von Jermolaewa bei Kerstin Engholm zum Ausdruck.

Eine jüngste Ergänzung zur ihrer Videoinstallation „5-Jahresplan“ ist ebenso in der Galerie zu sehen. Im Abstand von fünf Jahren, seit 1996, filmte die Künstlerin immer wieder dieselbe Stelle einer Rolltreppe in St. Petersburg. Wenig scheint sich auf den ersten Blick zu verändern. Werbetafeln sind am Rand der Rolltreppe zu sehen. 2016 erkennt man mehr Handies bei den Passagieren.

Die Künstlerin Anna Jermolaewa erweist sich auch in dieser Videoarbeit als genaue Beobachterin von Öffentlichkeit und Repräsentanz. Sie gibt die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Menschen aus dem ehemaligen Ostblock auch in ihrer Widersprüchlichkeit wieder. Jermolaewa bedient sich dabei einer scharfen, feinen kritischen Klinge die durchaus als analytische Methode in ihrer künstlerischen Praxis bezeichnet werden kann.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Anna Jermolaewa
15.01 - 05.03.2016

kerstin engholm galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 3
Tel: +43 1 585 73 37, Fax: +43 1 585 73 38
Email: office@kerstinengholm.com
http://www.kerstinengholm.com
Öffnungszeiten: geschlossen


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: