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Ungläubiges Staunen

Ein belangloses, ein schlechtes, ein miserables Buch: Was Navid Kermani in seinem jüngsten Werk „über das Christentum“, betitelt „Ungläubiges Staunen“, daher schwadroniert, lässt einen in der Tat wortlos vis-à-vis. Spätestens seit seinem 2011er „Dein Name“, mit über 1.200 Seiten viel zu schwer und viel zu schwerfällig, gilt Kermani, in Köln lebender Islam-Wissenschaftler mit persischen Wurzeln, als intellektuelle Größe. An diesem Sonntag hat er anlässlich der Frankfurter Messe den Friedenspreis des deutschen Buchhandels in Empfang genommen. Angesichts eines Clash of Civilizations, der sich Tag für Tag mitteleuropäischer Zeit an Grenze für Grenze mitteleuropäischen Territoriums abspielt, mag dies als Geste verständlich sein. Kermanis Schreibe muss dabei unter allen Umständen außer Acht gelassen werden. Für „Ungläubiges Staunen“ hat sich Kermani vorgenommen, über die benachbarte Version von Monotheismus nachzusinnen. Seine „Meditationen“, wie der Umschlagtext sie nennt, versuchen also eine Brücke zu bauen zwischen Islam und Christentum, die Verbindungen evident zu halten und die Ungereimtheiten einer Religion, die programmatisch immer schon Kompromisse schloss, zu forcieren. Vieles am christlichen Verständnis von Erlösung, Weiterleben nach dem Tod oder zeremoniellem Umgang mit dem Unverstandenen kommt Kermani ganz zu Recht sehr seltsam vor. Für seine Phantasien benutzt Kermani Vorlagen, und sie sucht er sich ausgerechnet in der christlichen Ikonographie zusammen. Caravaggio, Dürer, Leonardo, der Kanon des gut Abgehangenen wird aufgeboten, und er ist Kermani für seine Meditationen nicht einmal ein Steckenpferd. Dass vieles, was der Autor zu wissen vorgibt, falsch ist: geschenkt. Dass er sich für seine Einsichten gern der Handreichungen von Reiseführern und Audio-Guides bedient, ist schon problematischer. Gern verweist er auf die direkteste aller Quellen und schreibt: „wie ich gelesen habe“ und dann „weiter las ich“, um bei der Angabe zu landen: „so las ich“, all das hintereinander auf 30 Zeilen. Denken wir uns den umgekehrten Fall und ließen einen katholischen Theologen mit derart demonstrativ verweigerter Kompetenz über das bildnerische Erbe des Koran dampfplaudern: Einen Friedenspreis ergäbe das nicht. Kermani schreibt, so sagt es die Klappe, „berückend“. Das liest sich dann so: „Botticellis Verkündigung, auf der sich Gabriel gleich einem Lustmolch anpirscht, worauf die lilienhafte Gottesmutter ihren Unterleib mit einer so koketten Drehung abwendet, als posiere sie für ein Männermagazin“ (S. 119). Der Molch ist auf der Pirsch, und auf was schießt er aus der Hüfte? das Foto für den Centerfold. Wer keine Ahnung hat, zielt gern mitten hinein in das, was er für Aktualiät hält. Kermanis bevorzugtes rhetorisches Mittel ist entsprechend der Anachronismus. Worum wiederum kreisen die Zeitsprünge? Natürlich um jenen Punkt in der Mitte. Zeitbedingte Anatomien, etwa bei der Darstellung einer Ursula aus dem 15. Jahrhundert, sind für Kermani dann Hinweise auf Schwangerschaft. Dass die heilige Jungfrau dadurch einen etwas fragwürdigen Nimbus erhält, wird natürlich der Sexualmoral des Christentums in Rechnung gestellt und nicht etwa der eigenen schiefen Optik. Und die drei Frauen mit Heiligenschein, die sich bei Perugino vor einem Bernhard von Clairvaux aufbauen, sie werfen sich naturgemäß in Pose, um, Zitat Kermani, zu „bumsen“. Dilettanten wollen immer das eine: Dumm daherreden. Das immerhin gelingt Kermani überzeugend. Navid Kermani, Ungläubiges Staunen. Über das Christentum, München: C.H. Beck 2015
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Respekt
Thomas Zaunschirm | 19.10.2015 07:42 | antworten
Lieber Rainer Metzger, Kompliment und großen Respekt für diese frechen und treffenden Kommentare! Liebe Grüße TZ

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