Nina Schedlmayer,
Dreißig lila Jahre
Die Erkenntnis, dass sich Werbung surrealistischer Techniken bedient, ist ein alter Hut und hatte entgegen aller Hoffnungen der Vertreter der historischen Avantgarde wenig mit einer gelungenen Verbindung von Kunst und Gesellschaft zu tun.
Dementsprechend lautete das Motto der Agentur Young & Rubicam "Mache das Fremde vertraut und verfremde das Vertraute", als ihre Denker vor dreißig Jahren auf die Idee kamen, die bereits seit 1901 existierende Milka-Kuh lila einzufärben. Nachdem die Farbe, wie übrigens auch das Blau von Yves Klein, patentiert worden war, griff sie von der Schokoladenverpackung auf den Körper der Kuh über - eine geniale, weil einfache Idee. Für die Drehs zu den mittlerweile 110 Werbespots engagierte man eigens angelernte Kuh-Bodypainter, die mit Geduld und Spucke Farbe aufs Fell bringen.
Bemerkenswert ist, dass wenige Jahre zuvor Andy Warhol, König aller Werbegurus, erstmals seine Tapete mit rosa Kuhköpfen im Whitney Museum installiert hatte: Wie Branding am besten funktioniert, wusste der Pop-Artist schon längst. Und wie auch Warhols Motive auf Postkarten, Mousepads und Federpennals reproduziert und vermarktet werden, gibt es die lila-weiß gefleckte Kuh ebenfalls in allen möglichen und unmöglichen Erscheinungsformen: vom Spielzeugauto über die Lampe bis hin zur Kreuzstichvorlage - und das sind noch die harmloseren Kitschobjekte. Ebenso wie die Färbung der realen Kuh widerspricht das spleenige Merchandising in seiner übersteigerten Artifizialität der in der Werbelinie immer wieder betonten "Naturhaftigkeit", die mit Alphörnern und saftigen Weiden untermalt wird. Dazu passt auch, dass zumindest laut Information der Firma Kraft Foods bei einer Aktion in bayrischen Kindergärten jedes dritte Kind die Kuh auf einem Poster lila ausmalte. Ob sich André Breton darüber freuen würde? Surreal hört sich das auf jeden Fall an. Oder einfach nur entfremdet.
www.kraft-foods.de
www.milka.de
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