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Das Superman-Dilemma

Gute Comics funktionieren wie Wassertropfen. Durch sie hindurch gesehen, vergrößern sich Körnchen kollektiver Wunschträume, Ängste und Mythen zu komplexen Universen. So auch der 1963 von Stan Lee erfundene X-Men-Comic. Er handelt von Menschen mit mutierten Genen, die wegen ihrer übermenschlichen Kräfte und ihres teilweise recht bizarren Äußeren von ihrer Umwelt ausgeschlossen sind. Es ist das ins Genzeitalter aktualisierte Dilemma all derer, die anders sind als der Rest der Gesellschaft, in der sie leben, nur dass in der Comic-Welt die Ausgestoßenen nicht Opfer, sondern Superhelden sind. Das X-Men-Universum bietet sich förmlich an für hollywoodmäßige Verfilmungen. Nach dem ersten amerikanischen Kino-Abenteuer im Jahr 2000 ist derzeit X-Men 2 in den Kinos zu sehen. Diesmal muss sich das Trüppchen um Professor Charles Xavier, dem mächtigsten Telepathen der Welt, nicht nur mit "normalen" Menschen auseinandersetzen, die den Mutanten ans Leben wollen, sondern auch mit einem der Ihren, Magneto, der seinerseits die Menschen auszurotten plant. Starker Stoff also, der alles enthält, wofür es amerikanische Superhelden braucht: himmelschreiende Ungerechtigkeit und eine Weltverschwörung. Vor vierzig Jahren noch ein Thema für Comics, verschwimmt das Bild der Superhelden mit ihrer Super-Ausrüstung seit Operation Desert Storm aber zunehmend mit dem des amerikanischen Elitesoldaten. Das macht gerade die Super-Truppe der X-Men heute aktueller denn je. Mit hinreißender Megalomanie finden sich in X-Men verschiedene ältere Stoffe ins Monströse übersteigert. So wie in Tod Brownings 1932 entstandenem, außergewöhnlichem Kultfilm die "Freaks" die schöne, böse Artistin Cleopatra zur Strafe zu einer der Ihren zurechtstutzen, will Magneto im ersten X-Men-Film alle Menschen zu Mutanten machen. So wie in Fritz Langs 1921 gedrehtem Stummfilm ein "müder Tod" über die durch brennende Kerzen versinnbildlichten Leben aller Menschen gebietet, hat auch Professor Xavier in X-Men II in einer virtuellen Kammer die Macht über die durch weiße und rote Lichter dargestellten Leben von Menschen und Mutanten. Die unfreiwillige Botschaft könnte aktueller nicht sein: Der Tod ist ein Meister aus Amerika. X2, USA 2003, 125 min Regie: Bryan Singer Mit Patrick Stewart, Hugh Jackman, Ian McKellen, Halle Berry, Famke Janssen, James Marsden u.a. Derzeit im Kino
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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