
Nina Schedlmayer,
Ernesto Neto: Das verfluchte Erbe
„Für die Erschaffung einer echten eigenwilligen und starken brasilianischen Kultur, zumindest im Ausdruck, muss dieses verfluchte europäische und amerikanische Erbe anthropophagisch aufgesogen werden, durch das Schwarze und Indianische unseres Bodens.“ Das schrieb der Künstler Hélio Oiticica 1968 in seinem Text „Tropicália“; er zählte zu den Mitbegründern des Tropicalismo, der nicht nur bildende Kunst, sondern auch Musik und Dichtung umfasste.
Dass der vier Jahre vor Erscheinen von Oiticicas Manifest geborene Ernesto Neto in dieser Tradition steht, wird in seinen Ausstellungen in der Kunsthalle Krems und im TBA21 bald sichtbar: In der zentralen Halle der Kunsthalle erhebt sich eine transparente, leichte Hülle, eine Art Pavillon. Er ist einem Amazonasfrosch nachempfunden, bezieht sich aber auch auf die Ritualräume der Huni Kuin, dem laut Eigendefinition „wahren Volk“ aus dem Amazonasgebiet. Ein Schamane der Huni Kuin taucht dann auch in einem Video auf: In prächtigem Federschmuck singt er eine Figur von Hans Arp – das verfluchte Erbe, gewissermaßen – an. Das Kunstwerk des Schweizer Bildhauers wird damit Teil einer kulturellen Praxis aus einem völlig anderen Kulturraum – umgekehrt adaptiert Neto wiederum die Knüpftechnik der Huni Kuin für seine bunten hängenden Liegen, in die das Publikum zum Relaxen und Meditieren eingeladen wird.
Überhaupt zielt Neto – er ist freilich nicht der erste – auf eine Involvierung des Publikums: Seine bekannten Installationen, biomorphe, fragile Equilibrien, gefüllt mit kleinen Styroporkügelchen und Reis, umhüllen und berücken einen, da und dort ziehen Düfte von Gewürzen durch die Räume. In seine federleichten, 1998 entstandenen, „Ovaloiden“, überlebensgroßen amorphen Gebilden, kann man hineinschlüpfen.
Netos sinnliche Kunst transportiert – auch – eine politische Botschaft. Doch manchmal, vor allem im TBA21, kann sie etwas esoterisch daherkommen: etwa, wenn Veranstaltungen angeboten werden, bei denen die angereisten Vertreter der Huni Kuin das Publikum in ihre Rituale einweihen sollen. Derlei erscheint recht bemüht. An der Faszination, die Netos schwebende Skulpturen ausüben, ändert das allerdings nichts.
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TBA21 Augarten Wien
Ernesto Neto and the Huni Kuin - Aru Kuxipa | Sacred Secret
26.06.2015 - 25.10.2015
www.tba21.org
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Ernesto Neto
19.07 - 01.11.2015
Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh
19.07 - 01.11.2015
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