Stefan Kobel,
Amazon will Kunst verkaufen
Amazon macht jetzt auch in Kunst. Das Online-Magazin Gallerist NY zitiert eine Email James Ericksons von Amazon Business Development, in der er Galeristen zu einer Informationveranstaltung in New York einlädt. "Amazon Fine Art Gallery" soll anscheinend zunächst in den USA mit über 100 Galerien starten, die über das Portal des Online-Händlers Kunst aus ihrem Portfolio anbieten können.
Kontaktiert wurden offensichtlich nicht nur große, sondern vor allem mittlere Kunsthändler und jüngere Galerien. Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass aktuelle Kunst in Unikaten auf der Plattform zu finden sein wird, da der Markt in diesem Bereich erwiesenermaßen anders funktioniert. Auch hochpreisige Werke etablierter Künstler wird man wohl vergebens suchen.
Das für diesen Sommer projektierte Angebot stößt in einen boomenden Markt - zumindest auf Anbieterseite. Die Zahl der Webseiten, auf denen Kunst angeboten wird, ist mittlerweile Legion. Viele von ihnen sind mit Venture Capital ausgestattet, das zum Teil schon wieder aufgebraucht ist. Die VIP Artfair ist bei Paddle8 untergeschlüpft, das gerade seine zweite Finanzierungsrunde erfolgreich hinter sich gebracht hat. Der in den USA bekannte und sogar nennenswert Umsatz generierende Anbieter von Kunstdrucken 20x200 hat Anfang des Jahres "vorerst" seine Aktivitäten eingestellt. Artsy, irgendwann zwischen 2011 und 2012 mit einem bis dahin im Kunstmarkt noch nie gesehenen Marketingaufwand an den Start gegangen, erfreut sich der finanziellen Unterstützung unter anderem von Eric Schmidt (Google), Dasha Zhukova (Roman Abramowitsch) und Larry Gagosian und brüstet sich mit 100.000 registrierten Nutzern sowie über 21.000 Kunstwerken. Artspace ist kurz danach online gegangen und wirbt nicht nur mit Kunst, sondern auch mit redaktionellen Nutzern um Kundengunst.
Alle neuen Anbieter arbeiten mit einem Provisonsmodell, im Gegensatz zum first mover Artnet, das von seinen Mitgliedsgalerien einen volumensabhängigen Jahresbeitrag erhebt. Die Provision schwankt preisabhängig zwischen 3 Prozent (Artsy, ab) und 20 Prozent (Artspace). Amazon soll laut Artnewspaper zwischen 5 und 15 Prozent verlangen.
Dem Gemischtwarenhändler fehlt es zwar völlig an Renommee und Expertise in diesem Bereich. Ob die teilnehmenden Galerien dieses Manko ausgleichen können, ist eher fraglich. Denn wer die Galerien nicht kennt, wird ihnen kaum besondere Kompetenz zuschreiben, und wer sie kennt, wird kaum über Amazon kaufen. Doch allein die schiere Marktmacht des Konzerns dürfte das untere Ende des Kunstmarkts gehörig aufmischen können. Und Amazon muss kein Venture Capital mehr einsammeln, sondern kann den Verdrängungswettbewerb einfach aussitzen.
Ein genauer Starttermin ist noch nicht bekannt. Amazon selbst war bisher zu überhaupt keiner Stellungnahme bereit.
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