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The Essence 13, Jahresausstellung der Universität für angewandte Kunst Wien: Transgressiver Enthusiasmus

Transmedial, transArts, transdisziplinär, transgressiv – und jede der Klassen der Universität für angewandte Kunst weiß genau, was sie mit diesen Schlagwörtern definieren will. So verwirrend das zunächst von außen betrachtet auch sein mag, die Angewandte zeigt sich genau in diesem Sinn gegenwärtig und daher zukunftsorientiert. Es scheint einer aktuellen prinzipiellen Erfordernis zu entsprechen starre hierarchische Ordnungen einzelner praktizierter Disziplinen nicht anzuerkennen um nicht in Isolation zu verharren. Innovativ produktiv durch intermediale Grenzüberschreitung ist in jedem Fall die proklamierte Haltung der Angewandten. Studierende und Lehrende der Angewandten negieren starre Klassenkonventionen in mehrdeutiger Hinsicht, es wurden und werden ständig neue Studienzweige und Lehrveranstaltungen initiiert, die gewohnte Abgrenzungen zwischen den Sparten, aber auch das herkömmliche LehrerInnen–SchülerInnen–Verhältnis durchbrochen und als Resultat 2013 eine sehr lebendige und anregende Jahresausstellung präsentiert. Bis 14. Juli ist die von Edek Bartz kuratierte essence im Künstlerhaus zu sehen. Das Institut für Sprachkunst (unter Ferdinand Schmatz und Esther Discherheit) erobert sich installativ und performativ den Raum: beschriftete Transparente sind als erweitertes Buch von der Decke abgehängt, eine Performance soll den Raum durch Klang und Bewegung neu definieren. Die Kooperation mit der Musikuniversität Graz, die Wort, Satz, Ton und Klang als thematische Verflechtung zur Ausstellungseröffnung konzertant aufführte, ist an der geladenen Party–Stimmung gescheitert. Der Bar–Raum als gewählter Schauplatz, an dem sich die drei Studios der Architektur (Zaha Hadid, Greg Lynn und Hani Rashid) wie immer höchst professionell präsentieren, hat einfach fulminant funktioniert. Im zentralen Raum stoßen zwei Welten des Industrial Design aufeinander, die „gute alte Schule“ D1 und progressive neuere. Bei Fiona Raby (D2) wird die Strategie verfolgt, grundlegende politische, ökologische und gesellschaftliche Strukturen als Anregung aufzunehmen und in Zusammenarbeit mit Experten aus der Wissenschaft neue Lösungen zu entwickeln. Es sind Prototypen, die visionär aber nicht gänzlich utopisch sind, Kritik an den aktuellen Zuständen mit ironischer Ernsthaftigkeit verbinden: Katharina Ungers „Factory Farming“ („Massentierhaltung“) ist ein Gerät, in dem schwarze Soldatenfliegen gezüchtet werden, als höchst rentables Nahrungsmittel für jeden Haushalt, ohne Umweltbelastung eine delikate Proteinquelle. Johanna Pichlbauer und Maya Pindeus präsentieren eine Maschinerie, die systematisch Schönheit eines Gesichts misst, berechnet, beurteilt und nach dem gültigen Ideal korrigiert – „Beautification“. Maria Gartner zeigt „Prosthetics“, Prothesen für Kinder, die dem Wachstum anpassbar sind. Das Institut Kunst und kommunikative Praxis unter Barbara Putz-Plecko weist auf die nationale Bildungsproblematik hin. Sieben ProtagonistInnen der aktuellen Debatte, vornehmlich PolitikerInnen, kommen zu Wort. Als Staubsaugerroboter treiben sie durch den Raum, alle plappern gleichzeitig. Die Performance ist ein orientierungsloses gegenseitiges Blockieren, in der Bewegung wie verbal, ein Wirrwarr von unverständlichen Wortfetzen, eine Endlosschleife. Das Institut für Bildende und Mediale Kunst zeigt die Abteilungen von Art & Science über Bühnen- und Filmgestaltung, Digitale Kunst, Fotografie, Grafik und Malerei bis zu TransArts und transmediale Kunst demonstrativ in einem Ensemble miteinander verwoben. In der Mitte steht eine kleine Maschine „Ohne Titel“, die permanent einen bedruckten Papierstreifen produziert. Es sind computergenerierte Kunstmanifeste, eine wachsende Menge absurder Erklärungen von fiktiven KünstlerInnen zu Kunst und über Kunst. Ein ironischer Haufen Papiermüll, zur freien Entnahme (Philipp Friedrich, Digitale Kunst unter Ruth Schnell). Man kann das Werk auch als subversive Kritik an der (oder jeder) Lehrstätte für Kunst sehen, ähnlich wie „Conversation Series Part 1:_/1327“ von oellinger/rainer (Bühnen– und Filmgestaltung unter Bernhard Kleber). 700 StudentInnen der Angewandten wurden interviewt, im Hof der Angewandten, vor einem eigens aufgestellten Gerüst, auf dem ein knallgelber Wohnwagen geparkt wurde. Scharfe Kritik der Studierenden wurde geäußert, Reflektionen über das Miteinander bzw. Nicht–Miteinander an der Universität. Präsentiert werden die Videoaufnahmen der Gespräche, vor dem verschrotteten Wohnwagen. Wieder ist ein Kunstwerk (hier von oellinger/rainer eindeutig als solcher definierter) Müll. Vor bzw. neben bzw. unter dem Künstlerhaus positioniert ist das Resultat der zweisemestrigen, interdisziplinären, offenen Lehrveranstaltung „Transit für Karl Aspern“ (unter PRINZGAU/podgorschek). Zwei „Unorte“ wurden thematisch miteinander verbunden, die U–Bahnpassage Künstlerhaus, Karlsplatz und die neue „Integrantin“ Seestadt Aspern, vergessene Landschaft in der Peripherie. Karina Fernandez hat der ehrwürdigen Figur des Rubens an der Fassade des Künstlerhauses ein rotes Seil in die Hand gedrückt, das sich gegenüber durch die Balustrade der U–Bahnpassage windet um dann in Aspern wieder aufzutauchen. Dass diese in ihrer simplen Ästhetik eindringliche Intervention im öffentlichen Raum das Werk einer Studentin der Digitalen Kunst ist, ist symptomatisch für die offene, freie Strategie der Lehrveranstaltung. TransArts (unter Stepahn Hilge, Roman Pfeffer und Nita Tandon) propagiert und praktiziert dies als neue Form des Unterrichts bereits seit 2010. In dem zur Eröffnung der Essence präsentierten gleichnamigen Buch wird das Fach dokumentiert und im Kontext der Begrifflichkeiten theoretisch fundiert und kritisch diskutiert. Künstlerisch manifestiert sich die methodisch transgressive und reflexive Vorgangsweise in ungewohnten, oft subversiven Konstrukten, wie Celine Strugers „Vogelhaus“, dessen spröde Poesie mit Hilfe einer Autobatterie magnetische Kräfte freisetzt. Die nun besonders betonte transdisziplinäre Facette der Angewandten wird in der Ausstellung mit Enthusiasmus und manchmal bewundernswertem (naivem) Idealismus der Studierenden präsentiert. Transgression in jeder Hinsicht – und die Ausstellung geht dabei nicht in Beliebigkeit verloren. Das Konzept von Edek Bartz hält.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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The Essence 13, Jahresausstellung der Universität für angewandte Kunst Wien
26.06 - 14.07.2013

Künstlerhaus Wien
1010 Wien, Karlsplatz 5
Tel: +43 1 587 96 63
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi + Fr 10-22 h


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