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Peter Weibel & Renate Quehenberger: Quantum Cinema – A Digital Vision: Aufbruch in die Dimension dynamischer Geometrie

Wie schnell wir doch das Navi anklicken, wenn die Erfordernisse nach geographischer Orientierung über Hand nehmen! Eine triviale Alltagshandlung! Gewiss! Doch es lassen sich zwei Dinge daran illustrieren. Zum einen zeigt sich, mit welch rasantem Tempo einst utopisch besetzte Themen der digitalen Revolution – wie beispielsweise die Entgrenzung traditioneller Raumvorstellungen – nun in der realen Online-Gesellschaft von einer Pragmatik konditionierten Userverhaltens abgelöst wurden. Zum anderen wird evident, dass herkömmliche topografischen Darstellungen wie sie etwa digitale Landkarten bieten, eher als Formen der visuellen Konsensbildung zwecks Kommunikation und weniger als dauerhaft gültige Modellierungen von Räumen gedacht sind. Es stellt sich heraus, wie nachhaltig unsere Vorstellungen durch den Modus der Zentralperspektive sowie die mit der Luftbildfotografie korrelierende Kartographie geprägt sind. Darüber hinaus werden Raummodelle häufig in ein Stereotyp übersetzt, dass auf Newton zurück geht und von Albert Einstein als Container- oder Schachteldenken kritisiert wurde. Doch spätestens seit der Relativitätstheorie in der Physik und in der Kunst seit dem Beginn performativer und medialer Ausdrucksformen, die sich über Temporabilität definieren, gilt die Zeit als vierte Dimension. Die theoretische Physik wiederum schlägt ein weiteres, höheres Modell mit fünfter Dimension vor. Vereinfacht gesagt, entsteht es durch die Entfaltung einer Extra-Dimension, woraus ein gekrümmtes Raum-Zeit-Modell determiniert werden kann. Dem schwedischen Physiker Oskar Klein zufolge ließen sich darauf aufbauend die Grundkräfte des Universums in einer Weltformel, einem übergreifenden theoretischen Super-Gedankengang also, beschreiben. Sowohl in der Beschreibung des Universums wie auch in der auf energetischem Zustandswechsel basierenden Quantenphysik finden solche mathematisch fundierten Formen der Beschreibung ihre Anwendung. Und was nun, wenn eine Künstlerin – Duchamp folgend – meint, die Kunst dürfe der Wissenschaft nicht das letzte Wort überlassen. Es kann daraus ein künstlerisches Forschungsprojekt entstehen. Renate Quehenberger hat es gemeinsam mit Peter Weibel unter dessen Leitung an der Universität für Angewandte Kunst umgesetzt. Von 2010 an verfolgte das Projekt ''Quantenkino – eine digitale Vision'' den Versuch, mit den Mitteln der digitalen Kunst, rein abstrakte algebraische Beschreibungen der Höheren Mathematik in der Quantenphysik als 3D-animierte dynamische Geometrie in filmische Abläufe zu überführen. Ziel war, einen visuell und kognitiv fassbarer Zugang zu den sogenannten Zusatzdimensionen (D>3) zu schaffen. Unter Beteiligung von WissenschafterInnen aus den Bereichen der Anthropologie, der Experimentellen Quantenphysik und der Mathematik realisierten die Studierenden der Mediengestaltung/Digitale Kunst Nikola Tasic und Kathrin Stumreich und des Fachs Art and Science Rudi Friemel gemeinsam mit dem CAD- und Animations-Designer Christian Magnes sowie Hans Katzgraber als mathematischer Berater eine einzigartige filmische Animation. Als zentraler Teil einer multimedialen Installation ist dieses gelungene Ergebnis künstlerischer Forschung im Schauraum Angewandte im Museumsquartier zu sehen, den Ruth Schnell, die Leiterin der Abteilung Digitale Kunst an der Angewandten, und Wolfgang Fiel – ebenda lehrend – kuratieren. Es ist der Versuch, einem höchst spannenden Projekt im Schnittfeld von Kunst und Wissenschaft in den dritten wesentlichen Bereich – die Öffentlichkeit – einzubinden. Um das kommunikative Feld zu stärken, wäre allerdings eine umfassendere Vermittlungsstrecke – eventuell mit Verweisen auf historische Stationen der Visualisierung von Mehrdimensionalität hilfreich gewesen. Doch wir leben im digitalen Zeitalter: Auf der Website des Projekts ''Quantum Cinema'' hat dessen Initiatorin immer noch Gelegenheit, diesem Atem beraubenden Versuch, ergänzende Materialien beizufügen. BesucherInnen des Museumsquartiers sei empfohlen, auch da ein wenig auszuharren, wo der reale Raum, sich ins Virtuelle weiterer Dimensionen auffaltet.

Mehr Texte von Roland Schöny

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Peter Weibel & Renate Quehenberger: Quantum Cinema – A Digital Vision
18.01 - 17.03.2013

Schauraum Angewandte
1070 Wien, Museumsquartier, quartier21, (Electric Avenue)
http://www.dienagewandte.at
Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 22 Uhr


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