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Thomas Reinhold - Tektonik der Schwebe: Gegen Schwerkraft und Ärgernis

An der Fassade des kunsthaus muerz in Mürzzuschlag hängt ein Transparent mit einer ganzen Liste von KünstlerInnen. Dass Thomas Reinhold nicht genannt ist, kommt aus dem höhnischen, im Grunde leider schmerzlichen Umstand, dass sich das Plakat auf die längst vergangene Ausstellung bezieht – dabei präsentiert hier Thomas Reinhold seit 30.06. (immerhin fast zwei Monaten) seine Soloshow „Tektonik der Schwebe“. Irgendeine Erklärung dazu braucht wohl keiner mehr und der Künstler vielleicht am wenigsten. Im Pressetext werden bekannte Persönlichkeiten mit ihren anerkennenden Worten zum Werk Thomas Reinholds zitiert, er liegt vor Ort auf, da kann man ihn sich holen... Online schaut es eher karg aus und Bildmaterial gibt es von Seite des kunsthauses kaum welches. Das ist mehr als bedauernswert, denn die Exponate reichen bis in die frühe Schaffensphase der 70er Jahre zurück und gerade diese vermitteln eine wenig bekannte und von der heutigen Malerei differente Facette in Reinholds Oeuvre. In den Kombinationen von Fotografien und Zeichnungen zeigt sich eine Spontaneität in der subjektiven Wahrnehmung und im spielerischen Weitertreiben des aufreizenden Motivs: Den Fotoautomat mit der Aufschrift „Fotografieren Sie sich selbst“ lässt Reinhold die Aufforderung an sich selbst vollziehen; oder er konfrontiert den fotografisch festgehaltenen Kotkugel-rollenden Mistkäfer mit eigenen Zeichnungen aus seinem Kleinkindalter, in welchen er seine damalige Faszination an der Form des Erdballs mit einem auf eine Kugel angesetzten Haus oder Auto manifestiert. In der intuitiven Verknüpfung der alltäglich erscheinenden Phänomene nutzt er eigentlich die gute alte Methodik der Allusion um mit Ästhetik und Witz zu einer schärferen individuellen Wahrnehmung anzuregen und assoziative Räume aufzureißen. Das Rundmotiv, ob Ball, Kugel oder Scheibe ist die konzeptuelle Brücke in der Ausstellung bis hin zu den aktuellen großformatigen Gemälden. In den 90er Jahren bemalte Reinhold eine Siebdruckserie einer schwarz-weiß Fotografie seines Ateliers. Die ausschnitthafte Szene zeigt eine hölzerne Figur der Stammeskunst aus Timor und zum Teil eine eigene Keramik. Dazwischen setzte Reinhold jeweils drei exakt runde, aber unvollkommen ausgefüllte Scheiben in schwarzer Gouache. Unwillkürlich drängt sich die Konnotation mit kosmischen Körpern in Bewegung auf, die ein Kreisen in nicht wirklich definierbaren Bahnen ist. Die abgeschlossenen Formen der fotografierten wie der gemalten Objekte korrespondieren in einer formalen Intensität, sodass zugleich ein inhaltlicher Bezug imaginativ präsent ist, als eine eigenartige Kommunikation zwischen der originären Stammeskunst, der eigenen Keramik und jenen nicht festzuhaltenden Runden. Im Gemälde „Enchanté“ (2009) kehrt dieser Kreis wieder: auch hier in aufgerissener Form, oszillierend zwischen Volumen und ephemerer Erscheinung, aber jedenfalls in Bewegung und geladen mit Dynamik. Nur ist in der jüngeren, informellen Malerei Reinholds diese selbst ihr Thema: in mehreren Lagen geschüttet und in unterschiedlichen Orthogonalen verflossen, referiert sie ihre Materialität und formale Erscheinung, die unterschiedliche Transparenz in den Überlagerungen der Farbe, die daraus resultierende räumliche Wirkung oder die Interferenz mit dieser; dann der abgezielte Entstehungsprozess, der jeweilige Moment der überlegten Einschreitung in die gesteuerte (viel zu häufig überbewertete) Zufälligkeit wenn die geschüttete Farbe über die Leinwand rinnt und somit Schichtungen von Brüchen im prozessualen Fluss der scheinbar gegen die Schwerkraft strebenden Farbe bewirkt. – Reinholds selbstreflexive Malerei ist sich selbst, wenn auch in Variationen, genug – und strapaziert sich in diesem Sinn auch selbst, vielleicht mehr als genug. Unabhängig von einer Fragestellung nach konstruierter Impulsivität, Schematismus oder Relevanz, eines ist im späteren Werk Thomas Reinholds zu vermissen: die humoristische Seite, die vor allem in den 70er Jahren noch angeklungen ist. Aber wer will ihm das verdenken, nach Erfahrungen wie der jüngsten an der Mürz?
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Thomas Reinhold - Tektonik der Schwebe
30.06 - 15.09.2012

Kunsthaus Muerz
8680 Mürzzuschlag, Wiener Straße 35
Tel: +43 3852 56200, Fax: +43 3852 56209
Email: kunst@kunsthaus.muerz.at
http://www.kunsthausmuerz.at/
Öffnungszeiten: Do - Sa 10-18, So 10-16 h


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