
Nina Schedlmayer,
Andrea Ressi: Semiotik am Praterstern
Aus welchen Gründen waren Sie zuletzt am Praterstern? 1. Um umzusteigen, 2. Um sonntags in der rot-gelben Supermarktfiliale gemeinsam mit allen anderen WienerInnen Eier und Milch einzukaufen, 3. Um den seit Mai eröffneten abgefuckt-coolen Club fluc zu besuchen?
Es ist fast unvorstellbar, dass jemand aus anderen Gründen diesen Ort aufsucht. Andrea Ressi spricht im Zusammenhang mit dem Praterstern lieber von einem Nicht-Ort. Ein transitorischer Ort, ein Durchzugsort, an dem man sich hauptsächlich an Zeichen, genauer: Logos orientiert. Diese hat Ressi in ihrer Ausstellung im fluc verfremdet, ihre Typographie für andere Wörter verwendet: Statt des Namens der unsäglichen zuckerlrosa Konditoreikette steht da plötzlich \"Anonymous\", der Bankomat wird \"vacant\" und das omnipräsente Coca Cola zu \"non places\". Ähnliches kennt man natürlich von den launigen T-Shirts, die etwa die Hautcreme unseres Vertrauens in \"Niveau\" verwandeln. Andrea Ressis Verfremdungen sind weitaus komplexer: Sie nehmen die Logos am Praterstern auf und transferieren ihre Namen in ebenfalls auf den Ort bezogene Begriffe. An der daraus resultierenden Signifikat-Signifikant-Verwirrung hätte die französische Semiotik wahrscheinlich ihre helle Freude gehabt.
Ressis Plakate sind in den Oberlichten des zur Gänze durch Glasfenster einsehbaren Lokals angebracht und befinden sich so eigentlich im öffentlichen Raum. Neben dem doppelten Verweis auf den (Nicht-)Ort Praterstern passen sie sich insofern der Umgebung an, als sie in ihrer Farbgebung äußerst reduziert sind, meist in einem fahlen Grün oder Blau gehalten und dadurch leicht vergilbt aussehen, wie irgendwie auch der ganze Praterstern; das gewellte Papier tut sein übriges, um den Anschein zu erwecken als würden die Arbeiten schon ewig da hängen. Fast erschrickt man beim Anblick der links und rechts neben dem fluc platzierten \"richtigen\" Werbetafeln, die plötzlich zum Kotzen glatt wirken.
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