Nina Schedlmayer,
Heimat- und Nostalgiesender
Der neue „Kultursender“ ORF 3 scheint keine allzu hohe Meinung von seinem (potentiellen) Publikum zu besitzen. Zumindest was dessen Bildungsgrad anlangt. Wenn man „Netrebko“ nicht für einen russischen Trinkspruch halte, einen „EU-Kommissar“ nicht in einem Krimi vermute oder mit „Lang Lang“ mehr assoziiere als zwei Morsezeichen, so sei man bei ORF 3 richtig, verkündet der Sender in ganzseitigen Inseraten. Offenbar möchte man witzig sein. Leider geht dieser Schmäh nach hinten los: Im Grunde sagt er mehr aus über seinen inferioren Begriff von kultureller Bildung denn über seine Absichten. Denn offensichtlich gilt man für den ORF bereits dann als BildungsbürgerIn, wenn man sich bei deren Nennung an Namen erinnern kann, die sogar in den Boulevardblättern auf- und abdekliniert werden.
Leider gestaltet sich, wie nach einigen Wochen Sendezeit ersichtlich wird, das Programm selbst als nicht ganz so witzig wie die Werbesprüche. Wer sich etwa für bildende Kunst interessiert, ist bei ORF 3 schon mal ziemlich falsch. Sollte sich nicht in der dienstäglichen Wiederholung des Kulturmontag auf ORF 2 oder aber der sichtlich billig gemachten, aber recht ambitionierten Kurzsendung „Kultur heute“ (früher lief so was nach den Nachrichten) ein Beitrag verstecken, so bleibt – zumindest in dieser Woche – nicht viel, nämlich einzig die „Show“ von Karl Hohenlohe („Was schätzen Sie?“) – eine Kopie der beliebten Sendung „Kunst und Krempel“ im bayrischen Fernsehen, bei der Dorotheums-Experten den Wert von Objekte schätzen.
Wichtiger ist dem Kultursender das Essen: Schlemmerreisen durchs Ausseerland dürfen wir ebenso verfolgen wie Porträts über Köchinnen und die „kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener“, die vor Jahren auf arte zu sehen waren. Ebenso bedeutsam erscheint die Heimatwerbung: Zweieinhalb Stunden widmet man sich etwa am Freitag der nervenzerfetzenden Frage, wie in verschiedenen Regionen Österreichs die Weihnachtszeit verbracht wird. Der Großteil des Programms wird von Nostalgiesendungen bestritten – etwa mit alten Kabarettausstrahlungen (z.B. von Farkas/Waldbrunn) oder patinierten Club-2-Sendungen – sowie von Theater- und Opernaufführungen, Abteilung Hochkultur. Und der einst angekündigte Schwerpunkt auf den österreichischen Film beschränkt sich in dieser Woche auf die sechsmalige Ausstrahlung von Barbara Alberts „Fallen“.
Für Kunstinteressierte bleibt als schwacher Trost bloß, dass Film, Literatur, Neue Musik, Architektur, Kammermusik, Off-Theater, Pop, Rock, Jazz und Design im Kultursender ORF 3 einen ebenso schweren Stand haben. Die dürftige Finanzierung lassen wir als Ausrede diesmal übrigens nicht gelten – Okto beweist seit Jahren, dass man auch ohne viel Kohle gutes Kulturprogramm machen kann. Wenn der ORF kein Interesse an Kultursparten abseits von Theater und Oper hat, dann soll er das zugeben – und sich gleich in Heimat- und Nostalgiesender umbenennen. Als Werbeslogans könnte folgende Vorschläge übernehmen: „Wenn Sie mit dem Wort Großglockner nicht überdimensionales Geläut verbinden...“; „Wenn Sie Peter Alexander nicht bloß für eine Aneinanderreihung von Vornamen halten...“ oder „Wenn Sie bei Melk nicht an Kühe denken...“.
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