
Andrea Winklbauer,
Wenn die Badeente stirbt
Ein Ausblick auf die Viennale 2011
„Pete has how many Rocks?“ fragt die leicht schnarrende Frauenstimme, die sich wie aus einem Audio-Sprachkurs für Englisch-Anfänger anhört. Dazu sehen wir wie wild geschüttelte Bilder in Schwarzweiß: von einem älteren Herrn mit einem runden Stein in jeder Hand. 1 und 1 macht 2, doch die Frau, die dazu aus unerfindlichen Gründen auf einer Leiter stehen muss, schreibt an die Tafel die Ziffer 3. Nach noch ein paar ähnlich absurd aneinander geschnittenen Bildern, in denen u. a. eine Badeente geköpft wird, endet der Viennale-Trailer, der dieses Jahr vom Meister des Surrealen David Lynch gestaltet wurde. Als autonomes Filmkunstwerk trägt dieser den Titel „The 3 Rs“.
Die Viennale kommt wieder und mit ihr der schon traditionelle Run auf Karten zu Filmen, die (glücklicherweise für alle, die keine mehr ergattern) zum großen Teil kurz nach ihrer Premiere im Rahmen des kultigen Wiener Filmfestivals ohnehin anlaufen werden. Großes Interesse ist gesichert, sobald die neuesten und bereits in den Medien vorgestellte Werke von bekannten Filmautoren auf dem Programm stehen wie etwa Aki Kaurismäkis „Le Havre“, George Clooneys “The Ides of March”, David Cronenbergs Sigmund-Freud-Drama „A Dangerous Method“, Nanni Morettis „Habemus Papam“ oder Lars von Triers vielgelobtes apokalyptisches Drama „Melancholia“, dessen Präsentation in Cannes den Filmemacher zu fataler Scherzhaftigkeit über seine angebliche Sympathie für Hitler verleitete, die zu seinem Ausschluss vom wichtigsten Filmfestival dieser Welt führten. Darüber hinaus wird der zweite Spielfilm („The Future“) der amerikanischen Künstlerin Miranda July gezeigt, die vielen Viennale-BesucherInnen mit ihrer charmanten Tragikomödie „Me and You and Everyone We Know“ (2005) sicher noch in angenehmer Erinnerung ist, sowie die neuen, schon in Cannes gefeierten Filme „Drive“ des dänischen Jungstars Nicolas Winding Refn und „The Kid With a Bike“ der belgischen Regie-Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne.
Doch auch jenseits dieser „Blockbuster“ lohnt sich der Vinnale-Besuch auch wieder dieses Jahr. Die Programmreihe „Propositions“ etwa wird fortgesetzt, in der jeden Tag ein ausgewählter Film des aktuellen Weltkinos mit einer „eigenständigen, radikalen Position und einem inhaltlich und ästhetisch unverwechselbaren Beitrag zum ‚State of the Production’“ gezeigt wird, darunter neue Filme von José Luis Guerín (mit Jonas Mekas), Jean-Marie Straub und Lav Diaz. Die große Viennale-Retrospektive im Filmmuseum ist diesmal der belgischen Filmregisseurin Chantal Akerman gewidmet. Die Programmreihe „Home Run“ macht mit Namen wie Ruth Beckermann, Gerald Igor Hauzenberger, Lotte Schreiber oder Michael Palm neugierig auf neue Produktionen aus der heimischen Produktion.
Die alljährlichen Tributes sind diesmal dem Schauspieler und Sänger Harry Belafonte und dem englischen Produzenten Jeremy Thomas („Merry Christmas Mr. Lawrence“, „Naked Lunch“, „Young Adam“…) sowie dem chinesischen Horrorfilm-Spezialisten Soi Cheang gewidmet. Das Filmarchiv Austria widmet sich im Metro Kino dem zweiten Teil seiner „Silent Masters“ über das österreichische Stummfilmkino der Zwanzigerjahre und mehrere kleinere Programme zeigen Arbeiten von Lee Anne Schmitt, Sasha Pirker, Reinhard Kahn und Michel Leiner, Jean-Marie Straub sowie ausgewählte Arbeiten der Schule für unabhängigen Film Wien und Filmkoop Wien.
Viennale. Vienna International Film Festival
20. Oktober bis 2. November 2011
www.viennale.at
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