Werbung
,

Franz West - Epiphanien: Komplizenhafte Ironie

Epiphanien als Titel einer Ausstellung von neuesten Werken von Franz West besagt alles und zugleich nichts – und genau das ist die Intention. Franz West entzieht sich mit seinen emphatischen Erscheinungen wieder einmal jeder Kategorisierung, ikonographischer oder formalistischer Zu- und Einordnung, außer vielleicht in seine eigene werkimmanente Tradition. Auch mit seinem Parapavillon auf der diesjährigen Biennale in Venedig widersetzt er sich den scheinbar allgemeingültigen Doktrinen des internationalen Kunstbetriebs, in diesem Fall der Tendenz des Wettstreits um den Anspruch auf den besten Künstler oder die Produktion des besten Kunstwerks. Sein Parapavillon ist nichts anderes als die nach außen gestülpte Innenhaut seiner Ateliersküche, mitsamt allen dort angebrachten Werken anderer Künstler, die sich über die Zeit dort angesammelt haben – gleichgültig gegenüber jeder wie auch immer definierten sogenannten Qualitätsbeimessung des einzelnen Stücks. Wie er selbst sagt: „Das ist ein Wittgensteinischer Gedanke, Teil einer Zusammengehörigkeit zu sein, einer Übereinkunft, aus der etwas entsteht, durch eine Interaktion.“ (Extroversion, A Talk / Ein Gespräch, Benedikt Ledebur, Franz West, 2011, S.5). Der Ansatz, der Kunst ihre extern auferlegte und überhebliche Sakralisierung zu nehmen, sie auf sich selbst zurückzuführen, ist allerdings in der gesamten Konsequenz nicht vollständig gelungen. Denn der West’sche Parapavillon steht doch ziemlich monumental in eben jener vermiedenen Erhabenheit zwischen den Säulen des venezianischen Arsenals. Nach Wittgenstein sind Ethik und Ästhetik als absolute Werte nicht in sinnvollen Sätzen zu fassen. Die im frühen Werk wie dem „Tractatus“ (1918) vertretene Radikalität der prinzipiellen Aussage wird in späteren Schriften durch die Bezugnahme auf den Gebrauch relativiert. Zwischen diesen Komponenten lässt Franz West seine Kunst oszillieren, er treibt ein irritierend ambivalentes Spiel. 1985 schuf er die Skulptur Wittgensteinzitat und nahm damit erstmals explizit auf Ludwig Wittgensteins Philosophie und im Speziellen auf dessen scheinbar beliebig gezeichnete „Sinnlos-Schleifen“ Bezug. 2008 entstand die Arbeit Sinnlos, die als rosafarbene Garderobe durchaus nützlich ist. Ihre Formgebung geht auf eine „Sinnlose Kurve (Gekritzel)“ Wittgensteins aus den „Vorlesungen über Ästhetik“ (1938) zurück. Nun saß Franz West während der Vernissage zu Epiphanien bei Meyer Kainer auf dem himmelblauen Zitat „“ (Titel), seiner skulpturalen Transformation einer gekritzelten Linie, die der Wittgenstein-Forscher Peter Keicher für ihn aus einem bisher unveröffentlichten Manuskript Wittgensteins (1943/44) kopiert hatte. In diesem stellt Wittgenstein genau diese Linie in den Kontext der Fragestellung: „Müsste das unsinnig sein?“ (Peter Keicher, Handout Galerie Meyer Kainer 2011). Franz West lässt die Frage unbeantwortet. Er macht vielmehr Wittgenstein zu seinem Komplizen. Mit Augenzwinkern verstört er die Eintretenden mit einem großen Ding, bezeichnet als Epiphanie an Stühlen, das irgendetwas ist zwischen einem ramponierten Sputnik und einem überdimensionalen Virus, getaucht in penetrantes Rosa. Das Ganze lässt sich offensichtlich von der Decke kurbeln. Daran bleibt auch jedes heroische Pathos hängen. Auf 2 West-Sesseln wird zur kontemplativen Betrachtung geladen. Im Raum dahinter erschließt sich ein parkähnliches Gefüge großer Plastiken, Securitá, , Ebbe und Epiphan - wieder in jenen eigenartig anmutenden, West-spezifischen Bonbonfarben. Die Erklärung ist so einfach wie der Wittgenstein-Gedanke „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“ (Vorwort zum „Tractatus“, 1918) – heißt so viel wie: Franz West macht Kunst. Kunst ist künstlich und die von Franz West ist in dieser Qualität radikal. Sie verweist auf sich selbst, nicht tautologisch, sondern modernistisch. Sie steht im Kontrast zur Natur wie zu jeder gewohnten urbanen Umgebung. Es ist Kunst ohne Sockel, ohne ikonische Aura, ohne ikonographische Konvention, aber mit bestechender Ironie, dabei sachlich und schlicht. Das lustvolle Spiel mit sublimem Witz wird zunehmend in den separat gezeigten Modellen zu den Skulpturen wie in den Titeln offenbar. Der Raum zur freien Assoziation wird weiter aufgerissen. Der Bezug zu Wittgenstein ist offensichtlich und profund, dabei undogmatisch wie das künstlerische Resultat unparadigmatisch, beides in keiner Hinsicht beliebig, in jeder entschieden. Genau das macht die Rezeption auch zur diffizilen, aber permanenten Herausforderung.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Franz West - Epiphanien
14.09 - 29.10.2011

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: