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Gegen die Diktatur der Sprache

Die Un/Lust am Text: Zuallererst muss man diesem Buch zugute halten, dass es überhaupt erschienen ist. Denn der Mann, dem hier in Form eines publizistischen Denkmals die Ehre erwiesen wird, wollte dies eigentlich gar nicht zulassen. Peter Kubelka (geb. 1934 in Wien) zufolge soll der Film nämlich für sich stehen (können), was gerade und besonders für das von ihm kompilierte „Zyklische Programm“ gilt, um das es hier geht. Seit 1996 laufen diese 63 Programme immer dienstags im von Kubelka und Peter Konlechner gegründeten Österreichischen Filmmuseum und lassen in ihrer Konzeption durchaus Vergleiche mit Überblicksdarstellungen anderer Institutionen zu, wobei die Reihe „Essential Cinema“ der New Yorker Anthology Film Archives in ihrer Ausrichtung der Wiener Ausgabe zweifellos am nächsten kommt, zumal Kubelka auch an deren Erstellung beteiligt war. Nach dieser offenbar sehr prägenden Erfahrung mit den Schwierigkeiten einer derartigen Konsensbildung entschied sich Kubelka, für das Filmmuseum in Wien eine solche Zusammenstellung alleine zu erarbeiten, die jedoch „keine persönliche Bestenliste“ wiedergibt, sondern vielmehr anhand von (freilich erlesenen) Beispielen die Sinne schärfen soll: „Das Wesentliche an den Filmen dieser Auswahl ist gerade das, was mit Sprache oder irgendeinem anderen Medium nicht erreicht werden kann: der harte Kern des Films – das, was ihm seine Berechtigung als autonome Kunstgattung verschafft.“ Purismus ist ein Charakteristikum dieser Programme (der sich etwa auch in Kubelkas „Unsichtbarem Kino“ widerspiegelt), pointierte Polemik ein anderes: Geradezu programmatisch liest sich da der Buchtitel in Anspielung auf André Bazins Schrift „Qu'est-ce que le cinéma?“, der mit Kubelkas keckem Verzicht auf die fragende Intonation zu einem starken Statement wird. Zugleich räumt er ein, dass es z.B. eine eindeutige Bevorzugung nicht-narrativer Filme gebe, dass ihm Kurosawas „Rashomon“ fehle oder dass ihm, wie bereits angedeutet, an der flüchtigen Form der Vermittlung im Rahmen eines Vortrages eher gelegen sei als an einer Verschriftlichung; das ebenso informative wie unterhaltsame und angeregte Streitgespräch mit Stefan Grissemann bietet Aufschluss über diese Haltung und leitet dabei hervorragend zu den eigentlichen Filmprogrammen über, die vor allem von Harry Tomicek vorgestellt werden – ohne Übertreibung einer der prägenden Stimmen dieser Institution. Denn während das Prinzip der Montage, also der Kombination von Werken (bei Programm #6 etwa darf getrost von einer Konfrontation die Rede sein, wenn Jack Smith auf Leni Riefenstahl trifft), eine wesentliche Kommentarfunktion seitens Kubelkas ausmacht, so sind es eben diese formidablen – weil ebenso kenntnisreichen wie literarischen – Texte, die sich im Geiste der Cinéphilie einer fundierten Verführungskunst verschrieben haben. Bleibt nur noch zu hoffen, dass ein Buch zur laufenden Reihe „Die Utopie Film“ des amtierenden Direktors nicht allzu lange auf sich warten lässt.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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