Nina Schedlmayer,
Trügerische Waffenruhe
Gut is’ gangen, nix is’ gschehn: Dieser Eindruck sollte wohl jene Presseaussendung des Joanneums (Betreff: „Konstruktives Gespräch zwischen Joanneums-Geschäftsführern und Peter Weibel“) vermitteln. „Sowohl die Geschäftsführer als auch Peter Weibel wünschen sich, die Eröffnungsausstellungen der Neuen Galerie Graz im Joanneumsviertel wie geplant umzusetzen“, hieß es darin. Den weiteren Gesprächen blicke die Geschäftsführung „optimistisch entgegen“.
Wie bitte? Immerhin hatte Weibel, Chefkurator der Neuen Galerie, Joanneums-Leiter Peter Pakesch recht deftig beschimpft, ihn einen „Autokraten“ genannt, der von „pathologischem Hass auf die Neue Galerie“ getrieben sei und lüge; er hatte angekündigt, für die Eröffnungsausstellungen nicht mehr zu Verfügung zu stehen. Pakesch revanchierte sich gewohnt kühl auf Weibels hitzige Worte – und kündigte dessen Dienstvertrag auf. „Ein apokryphes Nestroy-Stück“ vermutete der Steiermark-Falter im besten und aufschlussreichsten Artikel, der zu diesem Thema erschien, hinter der Streiterei.
Nun fragt man sich: Wie soll denn die Kooperation zwischen Neuer Galerie und Joanneum denn jetzt funktionieren? Wird nicht Weibel bei der ersten Verstimmung Pakesch wieder vollmundig beschimpfen? Wird dieser sich umgekehrt nicht wieder mit taktisch gewählten Maßnahmen rächen? Offensichtlich ist jedenfalls, dass beide wenig zurückhaltend agieren, wenn es um das eigene Standing geht. Wenn Weibel Pakesch einen Autokraten nennt, dann könnte man die Frage anschließen: Ist er selbst so frei von jedem Kalkül im Eigeninteresse? Ließ er sich nicht einst selbst als Künstler in der Neuen Galerie ausstellen – eigentlich ein klassischer Fall von Interessenskonflikt? Andererseits lobbyiert Pakesch genauso intensiv in eigener Sache; nur weiß er, dass eine dermaßen brutale Wortwahl wie die Weibels sich bald gegen ihn selbst richten würde – ein Museumsdirektor würde die Kulturpolitiker mit derartigen Kraftausdrücken jedenfalls, so ist zu vermuten, ziemlich heftig vor den Kopf stoßen. Und diese haben immer noch das letzte Wort in Sachen Finanzen.
Zyniker können sich über den alljährlichen Joanneums-Infight königlich amüsieren; Sacharbeit bleibt dabei freilich auf der Strecke. Jedenfalls ist schon jetzt anzunehmen, dass der aktuelle Waffenstillstand fragil ist. Der nächste Akt des Nestroy-Stücks kommt bestimmt.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer
