Kunst gegen Gewalt - Gewaltbilder: Der Terror im Kopf
Vor etlichen Jahren lief im Fernsehen eine Dokumentation über Tschernobyl. Am Schluss wurde die Kamera per Hubschrauber über die verlassenen Häuser geflogen. Albinonis schwermütiges Adagio lag über dem menschenleeren Ort und füllte beredter als jeder Text die Lücke zwischen dem Wissen um den Reaktorbrand und den gezeigten, lapidaren Bildern. Wie lässt Gewalt sich bildlich darstellen? Eine kleine Ausstellung in Wien, die aus einer größeren in Zürich destilliert wurde, gibt eine klare Antwort: gar nicht. Die gezeigten Arbeiten von fünf KünstlerInnen beschränken sich großteils darauf, Gewalthandlungen vorzuführen oder zu symbolisieren. Das ist weder originell noch wirkungsvoll und hat einen ähnlichen Effekt, als würde man einen echten Apfel durch eine geruchs- und geschmacksneutrale Attrappe ersetzen. Um sich der Dimension des Themas anzunähern, bedarf es anderer Mittel. Der Film kennt sie schon lange. Wohl deshalb sind sämtliche Arbeiten der Ausstellung in der einen oder anderen Form an das Medium oder seine Ästhetik angelehnt. Christoph Draeger schnitt für seine Videoarbeit berühmte Gewaltszenen aus Filmen wie "Taxi Driver" oder "Dirty Harry" mit von ihm selbst gefilmten Nachstellungen der Szenen zusammen. Alexandre Périgot filmte Schauspielschüler bei der pantomimischen Darstellung eines Bauschschusses. Für seinen Fotozyklus von Orten, an denen Menschen ermordet wurden, beschwört Paul Seawright die Ästhetik von David Lynchs "Blue Velvet", während Lucinda Devlins Fotoserie von Hinrichtungstrakten in amerikanischen Gefängnissen an Lars von Triers "Dancer in the Dark" erinnert. So weit, so harmlos. Dass Gewalt vom Kunstwerk evoziert werden kann, hat nur Breda Beban begriffen. In der Videoarbeit "Let's Call it Love" überlagerte sie Bild und Ton eines Plattenspielers, auf dem der coole Jazz von Chet Baker gespielt wird, mit Aufnahmen eines Natobombers, der Serbien überfliegt und am Ende Bomben fallen lässt. Wie der stete Tropfen, der den Stein höhlt, entfaltet sich die Wirkung von "Let's Call it Love" als einzige Arbeit der Ausstellung an dem Ort, wo Gewalt im Zeitalter der medialen Bilderflut überhaupt noch etwas auszulösen vermag: im Kopf.
25.07 - 25.08.2002
MuseumsQuartier Wien
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