
Nina Schedlmayer,
Cyprien Gaillard: Im Hotel der Delfine
Seit etwa einem Jahr scheint der internationale Kunstbetrieb den 1980 geborenen Cyprien Gaillard zu entdecken – Features in so gut wie allen relevanten Kunstzeitschriften von Artforum über Frieze bis hin zu Monopol widmeten ihm bereits ausführliche Features. In Wien wurde man auf Gaillard anlässlich der Ausstellung „Die Moderne als Ruine“ in der Generali Foundation 2009 aufmerksam, wo er mit seinem Video „Desniansky Raion“ beeindruckte, der spektakulären Aufnahme einer Hochhaus-Sprengung.
Das Frankfurter MMK Zollamt präsentiert nun eine eher sparsam angelegte Einzelschau des neuen Artworld-Darlings, deren Herzstück sein mittlerweile 107 Vitrinen und 963 Polaroids umfassender Atlas „Geographical Analogies“ bildet: Fotos, die einander formal ähneln, ordnet Gaillard zu auf der Spitze stehenden Vierecken an und präsentiert sie auf gewölbten Untergrund. Stunden kann man mit dem Studium dieses monumentalen Atlanten verbringen, in denen Gaillard häufig Naturerscheinungen (Tropfsteinhöhlen, Bäume, Steinformationen) sowie architektonische Ruinen der Moderne, Stadtmöblierung allgemein oder modernistische Skulptur im Speziellen kombiniert.
Auch in seinem Film „Cities of Gold and Mirrors“, gedreht im von juvenilen Saufurlaubern heimgesuchten Cancún, nimmt sich Gaillard des Verfalls der Moderne und der Übergänge zwischen Architektur und Natur an: Da sieht man etwa Delfine in stehendem Gewässer herumschwimmen – bis die Kamera plötzlich den Blick auf einen kahlen Hotelsilo, der unmittelbar an das Bassin anschließt, freigibt. Ein Schwenk aus dem Atrium eines riesigen Gebäudes über Balkone, die mit Schlingpflanzen bewachsen sind, wirft die Frage auf: Hat man es hier mit einer verfallenden ehemaligen Bettenburg zu tun, oder ist das Grünzeug Teil einer besonders stylishen Ausstattung? Untermalt von einem zwingenden Soundtrack – jenem einer Zeichentrickserie über jugendliche Conquistadores entnommen – thematisiert Gaillards Film darüber hinaus Kolonialismus in Vergangenheit und Gegenwart, mehr die Haltung eines Staunenden als eines Oberlehrers einnehmend.
Daneben sind noch zwei kleinere Arbeiten zu sehen; gerne hätte man sich noch mehr in Gaillards Werk vertieft. Doch vielleicht täte eine groß angelegte Einzelschau einem Shooting Star wie ihm ohnehin nicht so gut.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Cyprien Gaillard
04.09 - 24.10.2010
MMK Zollamt
60311 Frankfurt, Zollamt, Domstraße 3
Tel: +49 - 69 - 212 - 304 47, Fax: +49 - 69 - 212 - 378 82
Email: mmk@stadt-frankfurt.de
https://www.mmk.art
Öffnungszeiten: Di 10-17, Mi 10-20, Do-So 10-17 h
04.09 - 24.10.2010
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