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Ware knapp, Geld nicht

Eigentlich geht es dem deutschen Auktionsmarkt ganz gut. Typische, perfekt erhaltene und marktfrische Werke museal abgesicherter Künstler finden reißenden Absatz. Nur einliefern will sie niemand. Schließlich erhält man im Gegenzug nur Geld, und das will man ja zur Zeit eher loswerden. Dadurch wird der Nachschub noch knapper. Gleichzeitig möchte zweit- und drittklassige Ware keiner mehr haben. Im mittleren und unteren Segment ist Vieles nicht einmal mehr mit Preisabschlägen zu vermitteln. Da hatte das Kunsthaus Lempertz in Köln gut lachen. Es konnte aus der Sammlung des ehemaligen Vorsitzenden der Griffelkunst-Vereinigung Carl Vogel auswählen. Da passten Qualität und Provenienz aufs Schönste zusammen. Das wurde am deutlichsten an der bekannten Skulptur „Schlitten“ von Joseph Beuys: Die Taxe lag bei marktgerechten 40.000 bis 60.000 Euro. Schließlich handelt es sich um ein Auflagenobjekt (Ed. 50), das durchschnittlich diesen Preis bringt. Um dieses Exemplar stritten sich jedoch rund 15 Telefone, und der Hammer fiel erst bei 297.000 Euro inklusive Aufgeld. Gerhard Richters überarbeiteter Siebdruck „Hund“ von 1968 brachte einen höheren Preis als manches Gemälde desselben Künstlers: 243.000 Euro brutto (Taxe 20.000 – 30.000 EUR). Von dem Blatt, das damit zur teuersten Graphik des Künstlers wurde, existieren allerdings lediglich acht plus zwei Exemplare, alle mit Unikatcharakter. Die folgenden Auktionen mit Moderner und Zeitgenössischer Kunst verliefen hingegen unspektakulär, jedoch zufriedenstellend genug, so dass Lempertz sich deutlicher als in den Vorjahren mit rund 26 Millionen Euro die Krone des deutschen Umsatzspitzenreiters aufsetzen darf. Das liegt vor allem daran, dass der ewige Konkurrent Villa Grisebach in Berlin, der sich auf das gehobene Segment konzentriert, Probleme mit dem Nachschub hatte. Denn an Käuferverweigerung lag es nicht, dass mit 14,2 Millionen brutto nur rund 2 Millionen Euro mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres zusammenkamen. Denn geboten wurde, als wäre das Geld morgen nichts mehr wert. Lediglich sechs der 70 Ausgewählten Werke gingen zurück. Die traditionell fast auschließlich privaten Käufer beboten selbst hochwertige, aber nicht exzeptionelle Papierarbeiten mit erstaunlicher Hartnäckigkeit. Emil Nolde Aquarell „Blaue Iris, Feuerlilien, Rudbekia“ kostete 339.150 EUR (Taxe 140.000 - 180.000 EUR). Der Käufer kam aus Süddeutschland, einer Region, die in dieser Auktion im hohen Preisbereich auffällig oft vertreten war. Das Aquarell „Rotes und Blaues Pferd“ von Franz Marc war hingegen etwas außergewöhnlicher: Ein süddeutscher Sammler bot hier ebenfalls 339.150 Euro (150.000 - 200.000 EUR) – für eine gerade einmal postkartengroße Skizze. Die Zeitgenossen wurden etwas zögerlicher aufgenommen, nicht nur, weil das Investment vielleicht vielen Sammlern zu unsicher erscheint, sondern auch wegen der zum Teil ambitionierten Taxen. Bei etablierten Namen oder guten Stücken, waren allerdings auch hier die Bieter großzügig. Sean Scullys Großformat „Grey Fold“ wurde mit 440.300 EUR inklusive Aufgeld (350.000 - 450.000 EUR) im Rahmen der Taxe zum teuersten Werk der Auktion. Einen ziemlich irrwitzigen Rekord erzielte eine Papierarbeit von Sigmar Polke im typischen Format 100 x 70 Zentimeter, für die 279.650 Euro (40.000 - 60.000 EUR) bezahlt wurden. Ketterer Kunst hat nach dem Umzug hat mittlerweile im Neubau am Münchener Stadtrand die meisten Aktivitäten konzentriert undviele Abläufe aus der überdimensionierten Hamburger Filiale hierher verlagert. Gleichzeitig wurde das Auktionsprogramm gestrafft. Das bedeutete 2009 harte Einschnitte beim Umsatz. Dieses Jahr jedoch deutet sich die Wende an: Eine Zuschlagsumme von 12 Millionen Euro inklusive Aufgeld vermeldet man für das erste Halbjahr. Das ist gut 50 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum, las 8,3 Millionen Euro erzielt wurden. Dabei hat die arbeitsintensive, weil kleinteilige, Sparte „Wertvolle Bücher - Manuskripte - Autographen - Dekorative Graphik“ praktisch nicht zulegen können, während die seit 2006 durchgeführte Abendauktion einen immer größeren Anteil am Umsatz ausmacht. Dazu trugen nicht unwesentlich die drei teuersten Lose der Saison bei, Gabriele Münters „Landschaft mit Sonnenblumen „(Taxe 250.000 – 350.000/Zuschlag 390.000 EUR brutto) , Wladimir Georgiewitsch von Bechtejeffs „Reptilien“, (250.000/378.200 EUR) und Günther Ueckers „Feld („Haut“)“ (200.000 – 300.000/353.800 EUR). Van Ham in Köln setzt seit Jahren konsequent auf das Internet und die Zeitgenössische Kunst, mit der beständig höhere Umsätze erzielt werden. Auch bei der Klassischen Moderne gibt es immer wieder Ausreißer. So konnte Rudolf Bauers „Pink Circle“ aus dem Jahr 1938 mit Guggenheim-Provenienz unerwartet das Doppelte des bisherigen Auktionsrekords von 538.000 Euro brutto (Taxe 100.000 - 120.000 EUR) einfahren. Den überwiegenden Anteil machte jedoch solide Mittelware aus. Der Rest ist schnell erzählt: Schloss Ahlden hat nach eigenen Angaben die beste Auktion seiner bisherigen Geschichte absolviert und vorwiegend mit Porzellan und Gemälden des 19. Jahrhunderts - unter anderem mit einer kitschigen „Fröhlichen Tauffeier“ des Italieners Arturo Ricci bei einer Taxe von 35.000 Euro 462.000 Euro brutto brachte - 7,5 Millionen Euro erlöst. Bei Neumeister in München kam eine „Andromeda“ des Präraffaeliten John Roddam Spencer Stanhope leicht jenseits der oberen Schätzung auf 242.000 Euro. Hauswedell & Nolte punktete mit Jan Schoonhovens weißer Gittercollage "R 70-63" mit einem Zuschlag bei 250.000 Euro netto (Taxe 150 000).
Mehr Texte von Stefan Kobel

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