Nina Schedlmayer,
Hans und Rudolf
Es zählt zu den Zufällen eher merkwürdiger Art, dass Rudolf Leopold und Hans Dichand im Abstand von nur zwölf Tagen verstorben sind. Denn sie hatten vieles gemeinsam – dass sie beide die Kunst der österreichischen Moderne liebten und sammelten, stellt dabei nur die augenfälligste Parallele dar.
Was in den zahllosen Nachrufen auf die zwei Patriarchen weniger häufig zur Sprache kam, war ihre Verachtung gegenüber vielen zeitgenössischen Künstlern – und die unverschämte Art, diese kund zu tun. Leopold, der sich stets und zu Recht als großen Schiele-Entdecker rühmte, fand: „Etwa 80 Prozent von dem, was einem jetzt als Kunst einzureden versucht wird, ist in Wirklichkeit keine echte Kunst“ (Der Standard). Einmal schimpfte er bei einer Führung durch sein Haus, dass die Künstler heutzutage nicht einmal mehr ordentlich malen könnten. Hans Dichand, viel schlimmer freilich, ließ Kunstschaffende geradezu verfolgen: Unvergessen sind etwa die vielen Artikel, in denen sein damaliger Mann fürs Grobe, Josef Kalina, gegen Christoph Schlingensiefs geniale Container-Aktion Stimmung machte; später beschimpfte man „Porno-Plakate“ oder, jüngster Tiefpunkt, fuhr schwere Geschütze gegen Christoph Büchels zugegeben mittelmäßig originelle Intervention in der Secession auf.
Gemeinsam war Leopold und Dichand ebenso, dass sie in der frühen Nachkriegszeit mit Talent und, wie es in den Nachrufen gerne hieß, „Gespür“ das Fundament für ihre spätere Macht aufbauten. Und in beider Lebenswerk drückt sich das problematische Geschichtsbewusstsein Österreichs gleichermaßen aus – wenn freilich in unterschiedlicher Intensität. In der Kronen Zeitung äußerte sich dieser Umstand schon früh, bei Leopolds Sammlung offenbarte er sich erst in den 1990er-Jahren. Während Dichand jedoch ganz gezielt Ressentiments bediente, war Leopold offenbar einfach in einer anderen Zeit stecken geblieben: Wahrscheinlich begriff er tatsächlich nicht, warum gewisse Aussagen nach dem Holocaust ganz einfach unmöglich sind. Doch genau dieses mangelnde Gefühl ist ja seit 1945 genau das Problem in diesem Land.
Leopold und Dichand, deren Energie einen stets an ihre Unsterblichkeit glauben ließ, einte zudem eine gewisse Altersschwäche. Schätzte Dichand mit seiner Kampagne für Barbara Rosenkranz das „Volk“ letztlich doch falsch ein, so versagte Leopolds untrügliches Qualitätsbewusstsein zuletzt, als er ausgerechnet Otto Mühl mit seiner grenzwertigen Malerei für eine Ausstellung einlud. Weder Dichand noch Leopold hätte man derartige Fehlgriffe zugetraut.
Doch bei allen Parallelen zwischen den beiden Herren, die sogar Nachbarn waren, lässt sich eines zweifelsfrei feststellen: Rudolf Leopold hat der Republik Österreich genützt statt geschadet. Bei Hans Dichand verhält es sich umgekehrt.
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