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Nachhilfe in Geschichte

So wie sich die Regie vom kollektiven Theaterbetrieb zu einem eigenständigen, vor allem aber auch prestigeträchtigen Berufsbild erst emanzipieren musste, so verhielt es sich nicht unähnlich in der bildenden Kunst mit der Tätigkeit des Kuratierens. Heute hat sich dieses Metier zu einem dem Kunstschaffen oft – zumindest – gleichgestellten etabliert. Wie es dazu kam und wie die Ausstellung als nicht unwesentlich öffentlicher Austragungsort für die Auseinandersetzung (mit) der Kunst zu deren institutionalisierten Präsentationsform schlechthin wurde, illustriert die aufwändig gestaltete Publikation „Salon to Biennial“ auf grandiose Weise. Das umfangreiche Bildmaterial steht dabei tatsächlich prominent im Vordergrund: Neben den üblichen Werkabbildungen kann das Buch mit rarem Dokumentationsmaterial wie Ausstellungsansichten, Plakaten und Skizzen, Katalogeinbänden und Faksimile (plus Übersetzung) aufwarten. Die Auswahl der 24 kanonischen Gruppenausstellungen – begonnen mit dem Pariser „Salon des Refusés“ (1863) bis zur MoMA-Schau „The New American Painting“ (1959) –, die Bruce Altshuler, Leiter des Instituts für Museum Studies an der NYU, hier vorlegt, spiegelt zwar eine fast gänzlich westlich orientierte Ausrichtung wider, dafür bleibt immerhin der Ansatz, die Kunstgeschichtsschreibung in Bezug auf den Kunstbetrieb zu bereichern; und das nicht nur mit Illustrationen, sondern ebenso mit Textpassagen, die pointiert Eckdaten und Fakten liefern und somit einen Kontext schaffen, ohne jemals überfrachtet zu wirken. So ergibt sich eine erfreulich differenzierte Collage aus heutiger und zeitgenössischer Perspektive, die in vielen Momenten das kunstimmanente Rahmenwerk zu sprengen imstande ist. Bis der geplante zweite Band herauskommt, der anschließend bis in die Gegenwart reichen wird, lässt sich wunderbar bei einem anderen Buch Trost finden: Einer der derzeit vermutlich umtriebigsten Kuratoren, Hans Ulrich Obrist, setzt – wenig überraschend – auf oral history und hat nun diverse, teils bereits veröffentlichte Gespräche mit, wie er betont, besonders für ihn wichtige Kuratorinnen und Kuratoren zusammengestellt. Daniel Birnbaum beschreibt es im Nachwort auch als eine Auseinandersetzung mit der vorangegangenen Generation, die Pionierarbeit geleistet hat, doch dafür bislang zu wenig Anerkennung genießen durfte. Und so ist der auch hier erhobene Anspruch, eine kleine Geschichte dieser Zunft zu schreiben, zusätzlich motiviert durch die Dringlichkeit, gegen das Vergessen dieser Protagonistinnen und Protagonisten vorzugehen; keineswegs selbstverständlich, dass von den elf Persönlichkeiten immerhin auch zwei Frauen (Anne d’Harnoncourt und Lucy Lippard) gewürdigt werden. Die Fragen kreisen primär um den persönlichen Werdegang, wichtige Einflüsse, aber auch pragmatische Abläufe und Arbeitsweisen, ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Umgang mit der jeweiligen Gegenwartskunst. Auffällig ist hierbei, wie flexibel und kreativ (wenn auch nicht selten notgedrungen) mit den Arbeitsbedingungen verfahren wurde: Harald Szeemanns Einmannbetrieb namens „Agentur für geistige Gastarbeit“, aber auch Werner Hofmanns Konzeption des Museums als Werkstatt und Laboratorium mögen dafür als Beispiel dienen. Und neben den anekdotenreichen Randbemerkungen, die auch die Person hinter der öffentlichen Figur erahnen lassen, gilt natürlich nicht zu knapp den Ausstellungen die Aufmerksamkeit des Interviewers. Der jüngste Promotioncoup für das Buch etwa würdigt jenen Mann, der nichts Geringeres als Duchamps erste museale Soloausstellung verantwortete: Walter Hopps (1933-2005). Was diesen beiden Publikationen jedenfalls gelingt und worin ihre Stärke liegt, ist das Veranschaulichen einzelner Entwicklungsstränge des Kunstbetriebes, was den gegenwärtigen Stand der Dinge besser nachvollziehbar macht, manchmal sogar zu schätzen hilft und wünschenswerterweise auch die eine oder andere Vorwärtsbewegung anstößt.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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