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CAT Open 2008 - Postgravity Art - Orbita Noordung: Pathos der Schwerelosigkeit

Dass hoch spektakuläre und sensationelle Projekte keineswegs marktschreierisch daherkommen müssen, beweist die Landung des Weltraumtheaters von Dragan Zivadinov im MAK-Gegenwartskunstdepot im Gefechtsturm des Wiener Arenbergpark. Die multimediale und in jeder Hinsicht utopische Installation „Postgravity Art – ORBITA NOORDUNG“ ist Sinnbild für den Entgrenzungsdrang slowenischer KünstlerInnen und Intellektueller. Immerhin gelang es dem von seiner Idee eines Theaters der Schwerelosigkeit besessenem Theatermacher und Avantgardisten Dragan Zivadinov am 20. April 1995 erstmals eine Performance in 7000 Meter Höhe umzusetzen. Jahrelange unermüdliche Werbeauftritte für die Lukrierung von Sponsorgeldern hatten damals die Uraufführung gemeinsam mit Dunja Zupancic und Miha Tursic sowie vierzehn weiteren Schauspielern über dem Himmel von Moskau möglich gemacht. Insbesondere Zivadinov und Zupancic wollten nach einer geradezu obsessiven Beschäftigung mit dem 1892 in Kroatien geborenen und 1929 in Wien verstorbenen Visionär der Satelliten- und Raumfahrtstechnologie Hermann Potocnik das Theater generell revolutionieren. Auf die Grundparameter zurückgeführt sei die dramatische Kunst Bewegung im Koordinatenfeld von Raum und Zeit. Da die Verhältnisse unter den Bedingtheiten der Schwerkraft automatisch Mimesis und Rekapitulation – und somit eine Fortführung von Traditionen – zur Folge hätten, wie sie analysierten, propagierten Zivadinov und Zupancic die Durchführung eines Balletts unter Aufhebung der Schwerkraft. Im Zuge eines Parabelflugs in einem Trainings-Luftfahrzeug für russische Kosmonauten gelang schließlich die Umsetzung. Dass das UFO als Kunstinstallation im Inneren des von MAK Direktor Peter Noever für Gegenwartskunst genutzten Nazi-Monuments Station macht, ist in jeder Hinsicht plausibel. Sowohl die Weltraum-Performance wie auch die sukzessive implementierten Kunstwerke in den CAT-Tower des MAK enthalten einen gemeinsamen Ansatz. Beide Aktivitäten stehen für die friedliche, kritisch diskursive Umcodierung von Technologien, die als militärisch gelten. Auf der Ebene des Phantastischen, das seinen Weg in die Realität findet, treffen sie einander. Wesensbedingt bleiben beide Projekte jedoch relativ hermetisch. Während die bis zum Jahr 2045 geplanten weiteren Aufführungen von „NOORDUNG“ lediglich als Dokumentation mitverfolgt werden können, ist das exzentrische Ausstellungsprojekt des MAK nur jeweils Sonntag nachmittags öffentlich zugänglich. Mythen umwoben also, doch nicht eventtauglich. Das Zeichensystem der vielteiligen Visualisierung der orbitalen Performance kommt aus dem Kontext der Bewegung Neue Slowenische Kunst. Es erinnert an das Pathos der Musik-Gruppe Laibach und an die visionären fiktiven Staaten des Künstlerkollektivs IRWIN; auch an das Theater Roter Pilot, das Dragan Zivadinov in den 1980er Jahren leitete. An zentraler Stelle als architektonische Andeutung der Prototyp des Satelliten, der Träger für die kommenden Weltraum-Performances sein soll. Denn die KünstlerInne beabsichtigen, die Aufführung über einen Zeitraum von fünfzig Jahren exakt alle zehn Jahre zu wiederholen. Sollte ein/e Schauspieler/in in diesem Zeitraum sterben, wird seine/ihre Physis durch dreidimensionale, ferngesteuerte Substute ersetzt. Auch dieser Ewigkeitsanspruch – rückgekoppelt mit der Polarität von Entgrenzung und Endlichkeit – macht das Projekt „ Postgravity Art – ORBITA NOORDUNG“ zu einer der spannendsten Interventionen für den Ort des CAT-Tower des MAK. Die Präsentationsbedingungen dürften zur Steigerung seines Mythos beitragen.
Mehr Texte von Roland Schöny

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CAT Open 2008 - Postgravity Art - Orbita Noordung
11.05 - 08.06.2008

MAK - Museum für angewandte Kunst
1010 Wien, Stubenring 5
Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-21, Mi-So 10-18 h


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