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Jahresrückblick, schon hier und heute

Hier also der früheste Jahresrückblick aller Zeiten. Erstens weil man mit journalistischer Arbeit nie zu früh dran sein kann, denn der Leser will es ja gleich wissen; zweitens um die Österreicher unter den Interessierten ein wenig von der Malaise abzulenken, die ihnen mit der gerade durch die Gruppenauslosung aktuell gewordenen EM ins Haus steht; drittens weil ich in dem hintersten Winkel von Deutschland hocke und auch nicht mehr herauskomme bis zum neuen Jahr; viertens weil ich gerade in Paris war, dort die Courbet-Ausstellung gesehen habe und es für tunlich halte, mich im Jahresrückblick auf Österreich zu konzentrieren, das Land, in dem nicht umsonst der Narzissmus erfunden wurde.

Ausstellungsinstitut des Jahres
Das Prinzip documenta. Es ist nach dem 180-Stunden-Video-Overkill vom letzten Mal, das die Besucher einem völlig überdrehten Bilder-Totalitarismus aussetzte, nicht weniger als gerettet worden. Die beiden Kuratoren Roger Buergel und Ruth Noack haben, auch wenn es den Grand Touristen der Zeitungsschreiberei nicht passt, sehr gute Arbeit geleistet.

Mittelmaß des Jahres
Wie zu erwarten war: das Belvedere. Das System Husslein hat binnen Jahresfrist gegriffen.

Aufsteiger des Jahres
Simon Wachsmuth. Ein souveräner Auftritt auf der zwölften documenta mit der wunderbaren Verpixelung des pompejanischen Alexandermosaiks zum Schwarz-Weiß-Tableau aus Magneten.

Künstler des Jahres
Ernst Caramelle. Der hat zwar nicht in nächster Nähe ausgestellt, und doch war seine künstlerische Methode einer Abstrahierung, Appropriierung und Weitergabe von Bildern von einem Ort der Ausstellung zum nächsten an zentraler Stelle präsent. Die "Migration der Form" auf der documenta hat viel profitiert von Caramelle, der auf der Angewandten nicht zuletzt Lehrer von Florian Pumhösl war.

Ausstellung des Jahres in einem öffentlichen Forum
Anna Oppermann in der Generali Foundation. Bevor es vorbei ist mit einem der unbekanntesten renommiertesten Institute für Gegenwartskunst hier noch die Erinnerung an eine Präsentation at its best: der versponnenen, verklausulierten, hermetischen und durchreflektierten Displays von Anna Oppermann, ausgebreitet in minutiöser Genauigkeit und der Seriosität einer Archäologie der Gegenwartskunst.

Ausstellung des Jahres in einer Galerie
Die Gedächnistausstellung für Teresa Hohenlohe in ihrer Galerie in der Bäckerstraße. Was sonst.

Flop des Jahres
Der österreichische Pavillon auf der Biennale von Venedig. Dieses Begräbnis im Angesicht der Lagune war nicht Thomas Mann. Das war bestenfalls Donna Leon.

Kuratorin des Jahres
Sylvia Ferino. Natürlich kommen Ausstellungen, wenn sie seltenerweise wirklich gut sein sollen, in Wien am ehesten vom Kunsthistorischen Museum, und wenn irgendeine Institution mithalten kann mit dem, was gerade anhand von Courbet in Paris passiert, dann natürlich das Haus am Ring. Und wenn jemand im KHM die besten Ausstellungen macht, dann natürlich Sylvia Ferino. Der späte Tizian ist natürlich ein Beispiel. Leider das letzte. Sylvia Ferino geht in Pension.

Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

4 Postings in diesem Forum
Flop des Jahres
Margit Schwarzer | 04.12.2007 09:25 | antworten
Hallo! Ich versteh die Metapher nicht. Was hat Herbert Brandl mit Thomas Mann, Donna Leon und einem Begräbnis zu tun? Ich empfand seine Bilder im Giardino geradezu als Highlight.
Flop des Jahres
Angie Vogric | 04.12.2007 12:40 | antworten
Na vielleicht war der Schreiber dieses Jahresrückblickes am ABEND im Österreich-Pavillon, da war er nämlich nicht beleuchtet und somit "dunkel wie ein Grab"? Aber ich muss meiner Vorschreiberin recht geben, auch ich verstehe den Zusammenhang Thomas Mann - Donna Leon - Begräbnis nicht. Und warum es der "Flop des Jahres" war für den Schreiber.
Kuratorin des Jahres
Irina Kubadinow | 06.12.2007 02:07 | antworten
Lieber Herr Metzger, ich darf Ihnen die freudige Nachricht geben, daß unsere Kuratorin des Jahres, Frau Dr. Sylvia Ferino, keineswegs in Pension geht!
Flop des Jahres
clemens stecher | 07.12.2007 08:20 | antworten
Mir ist das alles ziemlich wurscht, in 24 Tagen ist dieses Jahr vorbei.

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