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Skulptur Projekte Münster 07: Möbel aus Plastik

Im Aasee, Münsters Stadttümpel, ist Baden verboten. Dafür ist er beliebtes Ausflugsziel der Skulptur Projekte, und von Donald Judds Betonringen aus dem Jahr 1977 über Jorge Pardos 1997er Pier bis zu Rosemarie Trockels aktuell gepflanztem Eibenbuschwerk mit dem treffenden Titel "Weniger wild als andere" reihen sich hier die Kleinodien aneinander, wie sie Kunst im öffentlichen Raum heissen. Der Aasee ist hoffnungslos überdüngt, und es würde sich augenblicklich ein dicker Algenteppich darüber legen, wenn nicht Eisenchlorid ins Wasser geschüttet wird. Der dänische Künstler Tue Greenfort hat für die Skulptur Projekte diese Kosmetik bloß- und einen dicken Jauchewagen ans Ufer gestellt, der den Austausch der Flüssigkeiten und ihre Folgen sinnfällig macht. Greenfort wäre allerdings ein schlechter Künstler, hätte er das Arrangement so beabsichtigt, wie es dasteht. Jetzt nämlich wird nur Wasser umgewälzt, vom See in den Tank und zurück, und etwas Eisenchlorid hinzugemischt. Im Wortsinn plastischer allerdings wäre es gewesen, hätte er den Wagen seinen Zweck erfüllen lassen und tatsächlich Gülle ins Gewässer gemengt und damit Algen gezüchtet. Doch wie es aussieht und nach wie vor ein Problem ist mit der Kunst vor dem Kadi der Administration, hat Greenfort das nicht dürfen. In genau diesem Sinn brav sind auch die diesjährigen Skulptur Projekte ausgefallen. Zwar gibt es weniger von den Lasset-die-Kindlein-zu-mir-kommen-Konzeptchen, wie man sie beim letzten Mal hatte, als sich etwa eine Künstlerin nicht zu blöd war, den Besuchern ihre schweißmaroden Füsse zu massieren. Doch das Zeltlager für das Gespräch zwischen den Religionen, erdacht von der Waliserin Maria Pask, und der Streichelzoo samt Salzsäule mit der Darstellung von Lots Weib, damit die Tierchen daran lecken können, von keinem geringeren als Mike Kelley dürfen auch diesmal nicht fehlen. Die Aufgabe der Kunst ist es ja, wie Adorno einst meinte, Chaos in die Ordnung zu bringen. Nach wie vor mag das der Kunst im öffentlichen Raum allerdings nicht recht gelingen. Das mit der Provokation ist ihr von den Städten, die sich fürchterlich viel darauf zugute halten, sie zu verwalten, längst ausgetrieben, und so bleibt ihr nicht viel mehr übrig als eben die Möblierung zu besorgen: Funktionell wie bei der Sitzgelegenheit von Manfred Pernice, visuell wie bei Marko Lehankas aus Surfbrettern entfalteter "Blume für Münster", akustisch wie bei Susan Philipsz` mit glockenheller Stimme geträllertem Liedchen unter der Brücke oder mnemotechnisch wie bei Michael Ashers Wohnwagen, wie er jede Woche umgeparkt wird an die von den drei Vorgängerveranstaltungen her schon vertrauten Stellen. Kunst im öffentlichen Raum ist mausetot. 1987, da kam sie quicklebendig daher. 1997 waren die besten Arbeiten, Thomas Schüttes überdimensionierte Michelin-Männchen in Alu etwa, schon wieder im Landesmuseum zu sehen. 2007 musealisiert sich die Veranstaltung selber. Das ist allerdings das beste, was sie tun kann.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Skulptur Projekte Münster 07
16.06 - 30.09.2007

Skulptur Projekte
48143 Münster, Domplatz 10
Tel: 0049 (0)251-5907 252, Fax: fax +49(0)251 5907-210
Email: mail@skulptur-projekte.de
http://www.skulptur-projekte.de/


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