Sammeln in Wien Teil 1: Collectors' Favorites: Geschmack und Gesetz
Das Grundrecht des Kunstsammlers ist die Versponnenheit. Wer Kollektionen anlegt, darf seinen Obsessionen frönen, und weil es, mangels monarchischer oder aristokratischer Gewährsleute, Gott sei Dank auch keinen verbindlichen Geschmack mehr gibt, ist das Bürgertum, das heute den guten oder schlechten Ton angibt, in puncto Bilderbesitz ganz bei sich und seinen persönlichen Vorlieben. Die Kunstvereine hatten im 19. Jahrhundert deswegen so großen Zulauf, weil sie die Jahresgaben verlosten. Da konnten sich die Sammler auf den Zufall herausreden, wenn ihnen partout ein miserables Werk gefiel. Versponnenheit ist das allerletzte, was den \"Collector\s Favorites\" in der Galerie nächst St. Stephan gestattet wird. Fünf Laien und drei Professionelle, vulgo Privat- bzw. Künstlersammlungen, hat man kontaktiert und sich so etwas wie deren Filetstücke geholt. Der großen Garnitur, die die Galerie jetzt ziert, ist dabei alles Saftige gründlich ausgetrieben. Es herrscht strenge Observanz. Das Geschmacksdiktat ist unerbittlich. Etwa die Hälfte der Exponate ist in der Galerie selbst erworben worden, und so sieht sie, mit Federle, Schiess, Gasteiger, auch aus. Gerhard Richter ist vertreten, natürlich abstrakt und fast monochrom. Franz West ist auch dabei, mit einem Passstück, bei dem in dieser Umgebung wiederum vorrangig ins Auge fällt, dass es weiß ist. Zum versammelten Purismus gesellen sich Accessoires aus anderen Weltgegenden, Objekte aus Neuguinea oder Afghanistan; zu einem Berge-Bild von Herbert Brandl gibt es Aquamarine in der Vitrine. Leben ist ein Gesamtkunstwerk und Kunst ist ein Gesamtlebenswerk. Die Zusammenstellung tut so geschmackvoll, dass man ihr ansieht, wie prekär Geschmack längst geworden ist. Hier werden Sammlerhaltungen uniformiert und ästhetische Vorstellungen auf Vordermann gebracht. So und nicht anders, lautet die unmissverständliche Botschaft, haben Kollektionen auszusehen. Diese Botschaft ist distinguiert gemeint; doch im Grunde ist sie aufdringlich. So ist es immer, wenn die Bourgeoisie sich an aristokratischen Kriterien versucht.

15.02 - 19.04.2002
Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h