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Tom Burr - Moods: Zurück in die Zukunft

Filippo Marinetti erzählt in seinem Manifest des Futurismus die groteske Geschichte, wie er mit seinem schnellen Wagen im Straßengraben landet, und da nun des wunderbaren Geschmacks gewahr wird, den das Benzin und das Abwasser auf seinem Mund hinterlassen. Natürlich ist das sehr eigenartig, aber Marinetti schafft den Spreizschritt weg von der Andekdote hin zur Begründung eines neuen Ismus, der unverzüglich die Welt aufrollen werde. Tom Burrs Werk ist seinerseits geprägt von grotesken Geschichten. Sie beziehen sich weniger auf das Aroma von Straßengräben als auf die Reminiszenzen, die die Pop-Kultur bei ihm abgelegt hat. Filme und Musik und Bilder und Freunde aus der Szene haben ihn in Stimmungen versetzt, und ebenso, "Moods", heißt jetzt die Ausstellung, mit der er in der Secession Hinterlassenschaften für die Hinterlassenschaften ausbreitet. Es sind skulpturale Gebilde, in denen sich der Gout von Aufbewahrungsorten breitmacht, von Garderoben, Schränken, Archiven, die genauso gut Schallplatten sein können oder Taschen von Anzügen. Alles ist sehr bezüglich zueinander, doch das ist in Zeiten des allenthalben ausgeloteten Referenztaumels auch nicht weiter bemerkenswert. Postmodern, wie wir sind, haben wir sowieso kein Sensorium mehr, für den Tigersprung in die Weltgeschichte, wie ihn Marinetti sich noch leisten konnte. Dass Burr vor dem Abgrund der Bezüglichkeiten aber nur noch den Selbstbezug schafft, und die Dinge, mit denen er Kunst macht, allein für die kleine Welt seines New Yorker Einzeldaseins herhalten, ist doch ein wenig, nun ja, narzisstisch. Also legt Burr ein Jacket in die Secession, von Helmut Lang, versteht sich, das er in den Neunzigern trug, als er an seinem Coming Out arbeitete. Das ist kein Fetisch, eher ein Futteral, das Spuren trägt von einer großen Erwartung des Aufbruchs. Letztlich funktioniert das wie bei den Stone Washed Jeans. Die einen kaufen die abgerissene Hose, weil das auf eine Biografie verweist, die man erst haben wird. Die anderen stellen sie aus. Burrs Arbeit ist also die paradoxale Inszenierung von Erinnerungen an eine Zeit, da man noch alles vor sich hatte. Die Option, alles vor sich zu haben, ist so etwas wie der Futurismus von heute. Weltgeltung ist dabei ausgeschlossen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Tom Burr - Moods
28.04 - 24.06.2007

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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