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Die Bildzeitung

Sie ist gern einmal vergriffen, und sie vergreift sich schnell. In einer Zeit, in der man eine neue Wissenschaft bemühen muss, um den Unterschied von Bild und Kunst dingfest zu machen, hält sie es mit der Nivellierung dieses Unterschieds. Sie heißt Kunstzeitung, und sie ist die Bildzeitung der Kunst. Gerade ist sie zehn Jahre alt geworden, wie sie in einer Druckqualität aus anno Citizen Kane als Stapelware die Ausstellungen bevölkert. 200.000fach macht sie sich an die Menschheit heran, und in der Bananenrepublik namens Kunstbetrieb hat sie eine Verbreitung wie nicht einmal die Krone. Sie ist wüstester Boulevard, und als solcher erzeugt sie ihre eigene Welt. Bekanntlich finanziert sie sich über das untere Drittel jeder Seite, in dem die Häuser ihre knappen Etats strapazieren und Werbung schalten. Entsprechend sehen ihre Überschriften, die aktuelle Ausgabe herangezogen, drei aufeinanderfolgende Seiten genommen, so aus: "dynamisches Sehgefühl", "wunderbar schräg", "selbstbewusst". Dass unter solchen Titeln kein Feuerwerk der Kritik entfacht wird, wird womöglich die Inserenten freuen. Die seriösen Kunstzeitschriften hat dieses Prozedere entweder in die Pleite getrieben oder in den Elfenbeinturm. Natürlich spielt sie sich als Hüterin der Meinungsvielfalt auf. Zur Jubiläumsausgabe darf sich der Chefredakteur gründlich beweihräuchern und von jener Episode im Jahr 1997 erzählen, als Catherine David ihn von ihrer documenta-Pressekonferenz ausschließen wollte. Seine "kritische Berichterstattung", schreibt er jetzt, sei es gewesen, die ihm damals die Tür wies. Dass er die documenta-Chefin gerade mit einem Prozess überzogen hatte, schreibt er nicht. Madame Davids Reaktion war ungebührlich, aber verständlich. Und mit einer Schärfe der Schreibe hatte sie nichts zu tun. Wie auch: Schärfe der Schreibe gibt es hier boulevardüblich bevorzugt per Untergriff. Wer mit uns im Aufzug rauffährt, fährt mit uns im Aufzug auch runter. Matthias Döpfner hat das gesagt, der Chef der echten Bildzeitung. Mit der Bildzeitung der Kunst ist es bisher nur in eine Richtung gegangen. Hinunter. Ins Tiefland. Die Bildzeitung der Kunst hat das Terrain gründlich planiert. Nun weiß man, was Flachware ist. Eine Gratulation ersparen wir uns zutiefst.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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