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Whisky für das Volk

Der amerikanische Western der fünfziger Jahre zählt Vielen als Fernseherlebnis zum fixen Bestandteil ihrer Kindheit. Man hat sich so an die ständigen Wiederholungen von Klassikern wie "High Noon" oder "The Magnificent Seven" gewöhnt, dass man diese Filme nicht mehr als singuläre Ereignisse wahrnimmt. So scheint es reiflich an der Zeit, ein Genre auf seinem Höhepunkt wiederzuentdecken und dessen Inhalte neu zu diskutieren. Das Filmmuseum unternimmt den Versuch mit 38 Beispielen, die alle an derselben Erzählung schreiben, einige mit soliden Grundtönen, andere schrill und flamboyant. Der Western gilt als amerikanische Geschichte und die Jahre 1946 bis 1962, die die Filmreihe absteckt, sind höchst interessant. Es ist die Zeit von etwa dem Beginn des Kalten Krieges bis zur Kuba-Krise und die Reifezeit des Genres bis zu seiner beginnenden Perversion durch den Italo-Western. Der Western dieser Jahre ist der in hölzerne Planken gerahmte, aber sonst durch Mythen und Balladen vergoldete Spiegel der US-Gesellschaft und ihrer Politik, versetzt in die Vergangenheit. In ihm werden Ideale und reale Verhältnisse manifest, als Thema oder unabsichtlich. Zugleich handelt der Western als unermüdliche Erzählung vom amerikanischen Traum, von Weite, Expansion und den unendlichen Möglichkeiten. Die naive Rückschau in eine Zeit des Eroberns und Aufbauens verlieh den Mythen der "Gunfighter Nation" Anschaulichkeit auf`s immer Neue. Die Filmreihe enthält eine Mehrzahl berühmter Western wie "High Noon" (1952), "River of No Return" (1954) oder "Canyon Passage" (1946) und gleich fünf wichtige Werke vom Spezialisten John Ford. Filme von Fritz Lang, Edgar G. Ulmer, Fred Zinnemann, Otto Preminger und André de Toth beweisen, dass Western von Alt-Österreichern auch nicht weniger amerikanisch sind. Dagegen hinterließ der Amerikaner Nicholas Ray mit "Johnny Guitar" (1954) einen bleibenden Eindruck bei den Kritikern der französischen Cahiers du Cinema. Der auf die Kommunistenhetze der McCarthy-Ära anspielende Film um zwei Frauen, die einander herzlich hassen, findet trotz seiner Einzigartigkeit eine Art Pendant in King Vidors Monumentalgemälde "Duel in the Sun" (1946): Wo sonst wird gleichermaßen lustvoll in überbordenden Bildern wie in zerstörerischen Gefühlen geschwelgt? Singulär ist auch Marlon Brandos Ego-Show als Hauptdarsteller in seiner einzigen Regiearbeit, "One-Eyed Jacks" (1961), in der er den Westernhelden zeitgemäß gebrochen interpretiert. Die Selbstauflösungstendenz des Genres lässt sich aber auch schon früher erblicken. Etwa in Sam Fullers "Run of the Arrow" (1957), in dem Rod Steiger auf dem Körper jenes Mannes picknickt, den er eben erschossen hat. Wie er dessen noch glimmende Zigarre zuende raucht, erinnert schon sehr an den Zynismus des Gunfighters ohne Namen, den Clint Eastwood bald darauf verkörpern wird. Für John Ford war Western drehen wie bezahlter Urlaub. So unreflektiert können wir uns den Produkten der "Cold Warriers" heute nicht mehr nähern. Trotzdem verdienen es nicht nur die kritischen Filme wiederentdeckt zu werden. Auch die Unschärfen und Verwerfungen des Genres sind historisch wahr. Nur eben nicht so, wie ursprünglich gedacht. The Big Sky Amerikanische Western der 50er Jahre 1. September bis 1. Oktober www.filmmuseum.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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