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Kunstmarkt Jahresrückblick 2005: Deutschland

Der deutsche Kunstmarkt boomelte auch ein bisschen Das deutsche Kunstjahr begann und endete 2005 in Köln. Auf der Suche nach einem eigenständigen Profil wurde das Sammelsurium um die Westdeutsche Kunst Messe zunächst auf einen Februartermin gezogen, um die Kunden vor der TEFAF in Maastricht und mit noch gefüllter Brieftasche begrüßen zu können. Der allenthalben konstatierte Kunstmarkt-Boom wollte bei der kleinen Schwester der ebenfalls schwächelnden Art Cologne dennoch nicht vorbeischauen. Das soll dann aber dieses Jahr passieren, wenn es statt drei Veranstaltungen nur eine, mit dem internationaler klingenden Namen Cologne Fine Art, gibt. Zum letzten Mal in der gewohnten Form fand die Art Frankfurt statt. Nach dem Abgang von Marianne El-Hariri darf sich jetzt der heimische Galerist Michael Neff an der als "Regionalmesse" verschrieenen Schau versuchen. Die erste Peinlichkeit des Jahres unter den Auktionshäusern leistete sich Nagel in Stuttgart, wo man für die Zeitgenossen mit den Überresten der Sammlung Ulbricht - darunter viele Beuys-Multiples - stolz eine Verkaufsquote von 123 Prozent nach Taxen verkündete. Dabei wurde geflissentlich verschwiegen, dass die Schätzpreise oft bei einem Drittel und weniger des Marktniveaus gelegen hatten. Für Aufsehen sorgte die Juni-Auktion von Villa Grisebach in Berlin mit Millionen-Zuschlägen. Begleitet von großem Werbeaufwand, spielte die Veranstaltung brutto 22 Millionen Euro ein. Mit 3,4 Millionen Euro (ohne Aufgeld) war daran das teuerste Gemälde beteiligt, das je auf einer deutschen Auktion verkauft wurde: Max Beckmanns "Anni" aus dem Jahr 1942. Ernst Ludwig Kirchners "Halbakt mit erhobenen Armen" ging für 1,8 Millionen Euro in schweizerischen Handel und Emil Noldes "Philister" von 1915 für 1,3 Millionen Euro an einen süddeutschen Sammler. Die Kölner Konkurrenz von Lempertz musste hingegen den Durchfall eines bis auf eine Million Euro geschätzten Sonneblumenbildes von Emil Nolde verkraften. Die Zeitgenossen konnten die Scharte nur halbwegs auswetzen; das farblich zurückgenommene Toplos von Lucio Fontana blieb kanpp unter der Taxe von 350.000 Euro. Ins Sommerloch platzte die Meldung vom Verkauf der Sammlung Grothe an die Wella-Erben Sylvia und Ulrich Ströher. Die hauptsächlich auf Museen in Bonn und Duisburg verteilte Kollektion soll einen Wert von 50 Millionen Euro haben. Einen regelrechten Schock versetzte das Münchener Auktionshaus Hampel dem Markt, als es Gemälde aus dem Nachlass des ehemaligen Hertie-Eigentümers Hans-Georg Karg versteigerte, dessen Vater die Kaufhauskette Tietz 1933 im Zuge der Arisierung übernommen hatte. Hampel hatte sich im Vorfeld offensichtlich nicht einmal die Mühe gemacht, die Provenienzen zu klären und musste vier Werke zurückziehen. Die Gemälde von Max Liebermann waren mit teilweise fantastischen Schätzpreisen versehen, und entsprechend dürftig fiel das Ergebnis aus. Beinahe zeitgleich musste die Auktion der Gartenbibliothek Herrenhausen wegen drohenden Denkmalschutzes abgesagt werden. Keine guten Vorzeichen für den deutschen Kunstherbst. Doch die Zeitgenossen sollten es herausreißen. Das Artforum gab die Richtung vor, allen voran Gerd Harry "Judy" Lybke, der bereits am ersten Tag verkündete, dass er einen großformatigen Neo Rauch für 270.000 Euro an das Amsterdamer Stedelijk Museum vermittelt habe. Auch die Kollegen konnten sich darüber freuen, dass in Berlin jetzt nicht mehr nur gefeiert, sondern auch gekauft wird. Nach dem Jahrmarkt der Frieze in London brachte die Art Cologne mit ihrer rheinischen Behäbigkeit etwas mehr Ruhe in den überhitzten Betrieb - solide Umsätze, aber keine rauschende Party. Die soll ab 2007 auf Mallorca folgen, wie die dort ansässige deutschsprachige Zeitung berichtete. Richtig lebhaft wurde die Herbstsaison für die großen deutschen Auktionshäuser. Villa Grisebach konnte den Frühjahrserfolg zwar nicht wiederholten. Den Topzuschlag stellte mit 680.000 Euro (Taxe 350.000 Euro) Oskar Schlemmers Gemälde "Unterhaltung" dar. Doch erzielten die Berliner mit 34 Millionen Euro den höchsten Umsatz seit Unternehmensgründung im Jahr 1986. Van Ham, Kölns "ewiges zweites" Auktionshaus und auf das 19.Jahrhundert spezialisiert, überholte Lempertz auf dem Gebiet der Alten Kunst, nicht zuletzt durch den Verkauf einer Löwenjagd des javanischen Malers Prinz Raden Sarief Bustaman Saleh ben Jaggia zum Preis von 660.000 Euro (Taxe 220.000 Euro), die ein indonesischer Industrieller auslegte. Der Platzhirsch konterte mit einer Zeitgenossen-Auktion, die das Haus selbst als die erfolgreichste in Deutschland überhaupt ausmachte. Ein tiefroter Lucio Fontana brachte denn auch, bei etwas vorsichtigerer Taxe als im Frühjahr, solide 420.000 Euro. Eine abstrakte Studie von Josef Albers aus dem Jahr 1957 hingegen explodierte förmlich und kam aufgrund internationalen Bieterinteresses von 30.000 auf 200.000 Euro. Für Günther Uecker gab es gar einen Rekord: sein großes Nagelbild "Weißes Feld" aus dem Jahr 1988 erzielte 130.000 Euro (Taxe 70.000 Euro). Durch das in allen Bereichen gehobene Interesse an Zeitgenössischer Kunst wurde die Distanz zur umsatzstärkeren Moderne ein wenig geringer. Knapp unter der Taxe blieb dort mit 1,4Millionen Euro das Toplos, Lyonel Feiningers Gemälde "Gelmeroda IX". Mit 275.000 Euro deutlich weniger, doch einen Weltrekord erzielte die "Demonstration" des Rheinischen Progressiven Franz Wilhelm Seiwert (Taxe 60/80.000 Euro). Firmenchef Henrik Hanstein freute sich, mit einem Jahresumsatz von 38 Millionen Euro erneut vor seinem Berliner Erzrivalen Bernd Schultz von Grisebach Platz Eins in Deutschland einzunehmen. Eher ein Kuriosum präsentierte sich der weit über den Kunstmarkt hinaus interessierten Öffentlichkeit auf Schloss Marienburg. Sotheby`s verkaufte dort in zehn Tagen die nicht mehr benötigten beweglichen Güter des Hauses Hannover, welche fast vollständig abgesetzt wurden und insgesamt knapp 42 Millionen Euro brutto in der größten Haushaltsauflösung in der Geschichte des Auktionshauses erlösten.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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