Andrea Winklbauer,
Lektionen in Begehren
Der Film an sich ist nicht unbedingt ein Meisterwerk. "Flesh and the Devil", eben auf DVD erschienen, ist eine romantische, hochdramatische Geschichte um zwei gute Freunde, die sich in dieselbe Frau verlieben. Der Plot muss schon anno 1926 ziemlich abgedroschen gewirkt haben. Ansehen will man ihn sich heute hauptsächlich der Garbo wegen. Denn sie spielt darin die beliebte Rolle der fatalen Verführerin. Und das tut sie einfach göttlich, um bei ihrem Beinamen zu bleiben. Es ist der Film, der ihren Ruhm begründete.
Schon der Blick vor dem ersten Blick, den die Kamera auf die damals erst in ihrem dritten Hollywoodfilm agierende, noch völlig unbekannte Schwedin warf, inszenierte sie als Frau von außergewöhnlicher erotischer Anziehungskraft, denn zunächst sehen wir nicht sie, sondern nur die Behauptung ihrer Attraktivität: Im Bild ist der nominelle Star des Films, John Gilbert, wie er wie unvermutet etwas entdeckt, das ihn völlig gefangen nimmt. Erst dann erblicken wir die Garbo, bereits mit dem Nimbus des Besonderen umgeben. So sieht die Strategie der Inszenierung der Auftritte von Greta Garbo in ihren frühen Hollywoodfilmen aus: Die männlichen Darsteller antizipieren durch Mimik und Gestik Garbos Wirkung auf das Publikum.
Doch damit nicht genug. Mit Greta Garbo betrat eine Schauspielerin die Sets, die vor einer Kamera nicht mehr Theater spielte. Sie hatte die Möglichkeiten erkannt, die das noch junge Medium ihr bot: eine intime Nähe zu ihrem Publikum herzustellen. Ihr darstellerisches Understatement - verlangsamte Gesten, nur angedeutete Mimik - dominierte jeden ihrer Filme und machte aus Mitspielern Komparsen. Ihr intensives Spiel in die Kamera und durch sie hindurch ließ die Garbo in den Filmen der Zwanziger immer viel gegenwärtiger erscheinen als alles um sie herum. Erst später holte die Filmästhetik diese moderne Wirkung ein.
Und das ist immer noch nicht alles. Greta Garbo hielt, was der Regieeinfall versprach. Sie wusste sich vor der Kamera zu inszenieren als Objekt des Begehrens, doch behielt sie alle Fäden in der Hand. Auch der Zuseher zappelt daran. Grandios, wie das Kopfbegehren des Betrachters zusammen fällt mit seiner Lust am Bild, die Verführung der männlichen Protagonisten mit der des Kinopublikums. Dies trifft am stärksten auf Garbos früheste Hollywoodfilmauftritte zu, als ihre Leinwandcharaktere noch simpel gestrickte Verführerinnen waren. Als Objekt des Begehrens war sie das ideale Objekt des Filmischen. Später, als ihre Frauenfiguren komplexer wurden, büsste sie einiges von dieser Wirkung ein. Wie die Garbo zu ihrem Mythos kam, kann man deshalb nur ganz verstehen, wenn man Filme wie "Flesh and the Devil" gesehen hat. Die unbeschreiblich sublime Verführungsszene wird man ganz bestimmt nicht so schnell vergessen.
Flesh and the Devil (Es war)
USA 1926
Regie: Clarence Brown
Mit: Greta Garbo, John Gilbert, Lars Hanson, Barbara Kent, William Orlamond, George Fawcett, Eugenie Besserer
112 min, schwarzweiß, stumm
Warner Home Video
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