
Nina Schedlmayer,
World Press Photo 05: Regarding the Pain of Others
Im Jänner gingen in der Redaktion der Wochenzeitschrift profil mehrere hundert Leserbriefe und E-Mails ein. Der Grund dafür war das Cover der ersten Ausgabe dieses Jahres: Darauf trieben tote Tsunami-Opfer in trüben Wasser. Der Schatten einer Brücke fiel darauf. Das schien exakt durchkomponiert, die Farben waren aufeinander abgestimmt. Es war ein gutes Bild. Und darin lag das Erschreckende und Polarisierende.
Pressefotografie ist ein umstrittenes Thema. Die Frage, ob eine ästhetische Darstellung menschlichen Leids moralisch verwerflich ist, bewegt Philosophen wie Stammtische. Die derzeit im Westlicht ausgestellten Pressefotos, etwa 200 Siegerarbeiten des World Press Photo Contests, sind von einer Ästhetik, die so manche künstlerische Fotografie in den Schatten stellt. Eine Mutter sitzt neben ihrem kranken Sohn in einem Spital von Darfour in einer Fotografie von James Nachtwey, darüber rankt sich ein transparentes Tuch - das erinnert schon an eine klassische Pietà. Wie Eisblumen wirken die Einschusslöcher im Fenster eines amerikanischen Jeep im Irak (von David Robert Swanson). Eine ausgeklügelte Komposition lässt Räume stürzen in den Aufnahmen von Arafats Begräbnis (Paolo Pellegrin). Im Siegerfoto von Arko Datta breitet eine Trauernde ihre Arme im Sand aus. Bilder, die gleichermaßen "schön" wie schwer zu ertragen sind. Und beträchtliche Macht über unser Gedächtnis ausüben:"Nonstop imagery (television, streaming video, movies) is our surround,", schreibt Susan Sontag in ihrem Essay "Regarding the Pain of Others", "but when it comes to remembering, the photograph has the deeper bite. Memory freeze-frames; its basic unit is the single image."
Pressefotografie besteht aber nicht nur aus Katastrophenbildern. Auch in anderen Bereichen findet sich Bemerkenswertes: Kleider bekannter Modedesignern in blühenden Bäumen von Alfred Seiland; oder eine Ballspielerin in einer Baptistenbruderschaft, die versucht, wie im 19. Jahrhundert zu leben - im Hintergrund steht eine Kutsche, die hier das Auto ersetzt (von Krisanne Johnson). Diese Fotografien offenbaren sich häufig erst auf den zweiten Blick. Jene von individuellen wie kollektiven Katastrophen schockieren auf den ersten Blick. Darin liegt ihre jeweilige Qualität. So erschreckend sie sein mag.
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World Press Photo 05
08.09 - 02.10.2005
Westlicht
1070 Wien, Westbahnstrasse 40
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