Andrea Domesle,
Der globale Flaneur
Das Reisen und das Erzeugen von unzähligen Bildern davon hat Paul Albert Leitner (1957 in Jenbach geboren, in Wien lebend) als seine künstlerische Methode gewählt. Nun hat er sein neuestes Künstlerbuch zum Thema "Städte, Episoden" veröffentlicht. Es umfasst fast ausschließlich Farbfotos aus dem Jahr 1979 in Kairo bis zum Jahr 2004 in Portugal, Ungarn und Kroatien. Insgesamt sind es 455 Abbildungen! Diese gewaltige Menge an Aufnahmen hat Leitner nach "Motivkonstellationen" gegliedert. Das heißt für ihn, assoziativ: mal gibt das Thema die Aneinanderreihung der Fotos vor, mal das Motiv, mal sind es Strukturen, mal sind es ähnliche Körperhaltungen, mal die Art und Weise des Bildausschnittes, mal die Gattung, mal ist es Leitners Lieblingsthema "Typographisches". Paul Albert Leitner zeigt die kleinen, alltäglichen Begebenheiten, die Menschen auf der Straße, unscheinbare Gegenstände, aber auch die Schönheit von Abfall und Zerfall. Es ist die Erfahrungswelt eines Reisenden - eines männlichen, wie der unzweifelhaft männliche Blick auf die vorübergehenden Frauen oder mancher Aufenthaltsort verrät.
Die Welt, die Leitner bereist, wird durch die Gliederung im Buch austauschbar: Die Verbindungen, die er zu Fotos aus unterschiedlichen Städten herstellt, lässt letztere optisch zusammenwachsen. Auch sind einzelne Städte-Aufnahmen über das gesamte Buch verteilt, so dass sich ein bestimmter Ort nicht lokalisieren lässt. Ebenso ist der Künstler mit der Anordnung seiner Themen und Motive verfahren. Immer wieder Sonnenuntergänge, Spiegelungen, Regen, Architekturen, der Blick in den Himmel oder entlang von Fassaden, der Blick auf Leuchtreklamen und aus Fenstern oder Transportmitteln. Die Integration der Selbstporträts unterstreicht in ihrer Inszeniertheit die künstliche Wirkung, die auch den Stadtaufnahmen anhaftet. Leitner präsentiert sich im hellen Anzug mit schwarzen Schuhen oder im Bademantel als Gentleman. Dieser hat im Bildband ein Alter Ego: den weißen Hund, der, an den unterschiedlichsten Ecken der Erde angetroffen, ebenso wie der Künstler durch die Welt zu streunen scheint und gegen Ende des Buches tot am Straßenrand liegt. Dem häufig an Oberflächen hängen bleibenden Blick wird mit dem konstruierten Hundeschicksal eine tiefere Bedeutungsebene gegenüber gestellt.
"Episoden" lautet der zweite Teil des Titels: beim Blättern zieht das Reisen wie ein Film vor den Augen vorbei, manchmal hat man ein Déja-vu, manchmal wird man auf die vom Künstler geliebten "kuriosen Momente", die das Leben für den Fotografen bereit hält, aufmerksam gemacht. Die Snapshot-Aufnahmetechnik unterstreicht das Unprätentiöse. Leitner präsentiert sich in diesem Künstlerbuch als globalen Flaneur, der genießen kann, ein scheinbar interesseloses Wohlgefallen findet und eine liebende Grundeinstellung zu den Menschen und Dingen besitzt. Orte, Zeiten zerfließen - wie vielleicht auch die Erinnerung des Reisenden und das Leben überhaupt?
Paul Albert Leitner: Städte, Episoden
FOTOHOF edition 2005, Band 50
ISBN 3-901756-50-7
hg. Von Rainer Iglar, Michael Mauracher, Salzburg.
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