Andrea Winklbauer,
Das gemalte Schaf streicheln
Eine Ameise krabbelt durch irgendetwas Technisches. Sie will an einem durchsichtigen Röhrchen hinaufklettern, aber das ist zu glatt und sie rutscht ab, um gleich darauf mit der Flüssigkeit innen hinaufgesaugt zu werden. Wieder ausgespuckt, findet sie sich auf dem Dach eines Autos wieder, das schnell unterwegs ist. Natürlich fällt sie runter - und gleich neben sie ein Ameisenmädchen. Es funkt und alle sind glücklich. Bis auf das diffuse Gefühl, sehr Ähnliches schon gesehen zu haben. Kinder der Sechziger und Siebziger kennen Abenteuer aus der Ameisenperspektive zur Genüge aus den Blaue Elise-Folgen der Pink Panther Show und aus Biene Maja, jüngere wurden mit "Das große Krabbeln" sozialisiert.
Der Déjà vu-Effekt kam des Öfteren vor während dieses 3. Frauentrickfilmfestivals in Wien. Das erzeugte ein kribbeliges Gefühl in der Mousehand, die am liebsten immer wieder mal die Skiptaste hätte drücken wollen, und ist schade, weil man sich die originellen Beiträge als Belohnung buchstäblich ersitzen musste.
Richtig fein und im Wettbewerb war "SW-NÖ 4" von Barbara Musil und Karo Szmit. In dem mit zehneinhalb Minuten vergleichsweise langen, aber nie langweiligen filmischen Spiel mit Medien und Realitätsebenen spazieren zwei reale junge Frauen durch gemalte Landschaften um das niederösterreichische Reinsberg, von einem imaginären Dritten mit der Videokamera "gefilmt". "Feel it" von Susanne Jirkuff begeisterte durch eine originelle Analyse medial vermittelter Gesten-Codes: Der Zeichentrickfilm zeigt George W. Bush im Oval Office, als wäre er der Boss in einem Hip Hop-Video.
Zwei der spannendsten Wettbewerbsbeiträge haben Städte zum Thema. "Deja vu" von Katja Schubert ist eine Montage aus verschieden eingefärbten und teils bemalten Stills, die Situationen aus dem Leben von Berlin Mitte zeigen. Das Retardierende und das Beschleunigte fallen in diesem Film zusammen. "City Paradise", eine gelungene Mischung aus Méliès`scher Fantastik, Jim Jarmushs "Mystery Train" und der Fantasie aus der "Fabelhaften Welt der Amélie", spielt in London und hat eine junge Japanerin zur Heldin.
Schön war, dass man einmal alle zehn Animationsfilme von Maria Lassnig in einem Programm sehen konnte: Feministisch, witzig und bissig zieht die Künstlerin über Männer und tradierte Geschlechterrollen her. Ein Zeichentrickfilm, der Maria Lassnig gefallen könnte, ist "To Have and To Hold" von Emily Mantell aus dem Schwerpunktprogramm focus great britain. Sehr selbstbewusst flanierende, nackte Frauen führen männliche Genitalien wie Hunde an der Leine: große und kleine und verschieden geformt.
Im anderen Schwerpunktprogramm focus croatia blieb der Zeichentrickfilm "Plavo" ("Blue") von Hana Lukas im Gedächtnis. Ein ständig wiederholter, aus Alliterationen bestehender, gesprochener Satz auf Kroatisch wird in Schrift ausgedrückt, die sich in einfach gezeichnete, aber sehr assoziative Bilder verwandelt. Ton und Bild, Form und Inhalt stehen in einem ununterbrochenen, spannenden und experimentellen Verhältnis zueinander.
Zum Schwerpunktprogramm focus croatia waren fast alle Künstlerinnen anwesend und haben ihren jeweiligen Beitrag eingeleitet. Das machte das Festival erst so richtig lebendig. Man hätte sich mehr solche Momente gewünscht. Und dafür sogar auf einen Teil des Programms verzichtet.
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