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Julie Mehretu. Ensemble: Das Versprechen der Moderne

Wie Künstlerinnen zu ihren kreativen Schöpfungen kommen, ist bis heute ungewiss. Manchmal ist eine Beobachtung, ein biografisches Ereignis, Literatur, Musik, andere schöne Künste, Philosophie und vieles anderes mehr, die Inspiration auslösen.

In Venedig werden derzeit Zugänge zur Kunst von Julie Mehretu in der Ausstellung „Julie Mehretu. Ensemble“ im Palazzo Grassi gezeigt. Die Rede ist hierbei von der äthiopisch-amerikanischen Künstlerin Julie Mehretu, die mit ihren künstlerischen Freund:innen Nairy Baghramian, Huma Bhabha, Tacita Dean, David Hammons, Robin Coste Lewis, Paul Pfeiffer und Jessica Rankin quasi ins Gespräch kommt. Das Sprechen über Kunst ermöglicht dabei künstlerische Grundlagen, die in einer individuellen Ästhetik münden. Gemeinsam ist Teilen der Gruppe eine migratorische Erfahrung, wie auch bei Mehretu, Nairy Baghramian und Huma Bhabha. Baghramian floh aus dem Iran, Bhabha aus Pakistan. Weiteres gemeinsames Erleben ist die sexuelle Orientierung, die nicht gesellschaftlichen Normen entspricht und somit für manche Mitglieder nicht nur Diskriminierung als Flüchtling bedeutete, sondern auch Ablehnung aufgrund ihrer sexuellen Lebensweise. Jessica Rankin war die langjährige Lebenspartnerin von Julie Mehretu. Sie haben zwei Söhne großgezogen und eroberten gemeinsam die New Yorker Kunstszene.
Mehretu war somit zweifacher Diskriminierung ausgesetzt doch sie baute auf ihre peer group und hat sich mit ihren Arbeiten letztlich durchgesetzt.

Im Palazzo Grassi werden mehr als fünfzig Werke von Mehretu aus den letzten 25 Jahren gezeigt. Auch sind einige wenige jüngere Arbeiten aus den Jahren 2021 bis 2024 zu sehen. Es ist gegenwärtig die größte Schau ihrer Arbeiten in Europa.

Geht man durch die zweistöckige Ausstellung so stechen einem die großen Formate der Werke ins Auge. Auf glattem verschieden färbigem Untergrund sind schwarze Striche in turbulenter Anordnung aufgetragen, die wie Kürzel einer Sprache wirken. Die temporeichen Straffuren fliegen wie ein Wirbelwind über die Leinwand.

Bei dem sechsteiligen Werk „Epigraph Damascus“ aus 2016 arbeitete Mehretu mit dem dänischen Drucker Niels Borch Jensen und seiner Werkstatt zusammen. Immer wieder verwendet sie Druckverfahren, Schablonen, Überklebungen und arbeitet mit dem Tintenstift. Selbstverständlich denkt der Betrachter an die Arbeiten von Tacita Dean, die mit ihren „Wolkentürmen“ durchaus Parallelen zu Mehretu hat.

Ursprüngliche Motive, wie in der Arbeit „Invisible Sun“ von 2012, sind oft mit freiem Auge gar nicht mehr erkennbar. So sind u.a. gezeichnete Häuseransammlungen zu entdecken. Diese kalligraphische Art der Darstellung erinnert an ägyptische Stelen und hebt die Bedeutung der Zeichen-Schrift hervor. „Invisible Sun“ nimmt auch Bezug auf das Bild „Aleppo“, das sich in verschiedenen zeichnerischen, druckgraphischen und malerischen Schichten mit dem grausamen Bürgerkrieg auseinandersetzt.

Zuletzt sei auf eine Arbeit ihrer ehemaligen Lebenspartnerin Jessica Rankin verwiesen. Auf malerischem braun-grünem Grund sind Nägel eingeschlagen und mit Fäden verbunden sind. Das sich dadurch ergebende Liniengeflecht, ein unregelmäßiges Netzwerk, baut Spannung auf. Ausgehend von dem Titel „Field of Mars“ könnte es unter anderem ein Sternbild symbolisieren.

Es ist ein ungewöhnlich erweiterter selbstreferenzieller Zugang den Mehretu in Ihren Arbeiten und in dieser Ausstellung wählt. Sehr selten werden Einflüsse auf finale Arbeiten so dokumentiert. Mehretu bezieht sich in ihren Interviews immer wieder auf ihre Gruppe. Es ist ein schöner Zug von ihr, dass sie diese auch in ihrem Erfolg nicht zurücklässt.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Julie Mehretu. Ensemble
17.03.2024 - 06.01.2025

Palazzo Grassi
3231 Venedig, San Samuele
http://www.palazzograssi.it/
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-19 h


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