Particolare: Kunst und/oder Messe
Wien ist dieses Wochenende um eine weitere Kunstmesse reicher – bzw. um eine hybride Veranstaltung, die irgendwo zwischen Kunstmesse, Museum und Konzerthaus angesiedelt ist. Die Particolare, organisiert von Dmitry Aksenovs CultTech Association will nichts weniger, als der „klassischen“ und für tot erklärten Kunstmesse ein neues Format gegenüberstellen, das neue (junge?) Publikumsschichten und möglichst vermögende Kunstsammler:inen gleichermaßen ansprechen soll. Dazu hat man eine ganze Schar an Berater:innen engangiert, die zum Thema „Zeit und Bewegung“ mehr als 50 Kunstwerke aus den Depots z.T. sehr renommierter internationaler und dreier heimischer Galerien (Christine König und Zeller van Almsick aus Wien, sowie Eva Presenhuber, Wien & Zürich) zusammengetragen haben.
György Ligeti, „Poème Symphonique“ für einhundert Metronome, 1962
Als „A Collectible Exhibition“ bezeichnet die Particolare sich im Untertitel, eine Verkaufsausstellung also, die aber nicht nach Galerieausstellung oder Kunstmesse aussehen soll. Man will mit der Veranstaltung die sich selbst bestätigenden Festungen der Kunstwelt niederreißen, um zukünftige Käuferschichten unterschiedlicher Generationen zu erreichen. Nichts weniger als die Kunstsalons vergangener Zeiten will man wieder aufleben lassen.
Brian Dailey, Jikai, 2013
Man muss der Veranstaltung zugute halten, dass sie Kunstwerke nach Wien gebracht hat, die ansonsten vielleicht nie hier zu sehen gewesen wären, wie z.B. György Ligetis „Poème Symphonique“ für einhundert Metronome aus dem Jahr 1962, oder Wim Delvoyes „L’ordre des choses“, ein neues Werk, das er für seine erst kürzlich zu Ende gegangene Ausstellung im Musée d’art et d’histoire, Genf konzipiert hat. Auch Marisa Merz oder Tacita Dean sind in Wien kaum in Verkaufsausstellungen präsent. Immerhin widmet man sich z.B. mit Libby Heaneys „Q is for Climate? oder „The Oracle” über die Weltherrschaft einer künstlichen Intelligenz des Künstlerkollektivs Lou Cantor auch aktuellen gesellschaftlichen Themen.
Trotzdem besteht wenig Verbindung zwischen den einzelnen Arbeiten, denn das Thema ist zu breit gesetzt als dass sich zwingende Beziehungen ergäben. Dem Thema der Salons wird man zwar durch den Veranstaltungsort, den Kursalon Wien in gewisser Weise gerecht, doch in einem Salon könnte man sich auch Sofas oder zumindest Sitzbänke wie in Museen erwarten, um die Werke auf sich wirken lassen zu können. Leider ist davon nichts zu sehen. Begleitprogramm in Form von Performances, Konzerten (immerhin zusammengestellt in Kooperation mit dem Klangforum Wien) und Talks gibt es ebenso, doch ohne diese Elemente kommt heutzutage keine Kunstmesse der Welt mehr aus.
Bleibt noch ein Feature, das bisher auf Kunstmessen schon aufgrund der Fülle an gezeigten Kunstwerken nicht zum Einsatz gekommen ist: Ein auf künstlicher Intelligenz, basierender Smartphone Guide, der „Fun“ in den Ausstellungs-/Messebesuch bringen soll. Vier unterschiedliche „Kunstkritiker:innen“ (sic!) schlagen nach dem Scan von QR-Codes neben den Kunstwerken mögliche Lesarten vor oder weigern sich schon mal brüsk überhaupt Anworten zu geben (funny??). Sehr weit über das, was man über die einzelnen Werke und Künstler:innen auf Google findet, gehen die KI-Texte aber nicht hinaus.
Die Particolare will viel, verliert sich jedoch ein wenig in den eigenen Ansprüchen.
12 - 15.09.2024
Kursalon Wien
1010 Wien, Johannesgasse 33, A
https://particolare.com
Öffnungszeiten: Fr, Sa, So 11-19 h