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Conditio Humana: Lasst die Pinsel tanzen!

Ist die klassische Öl- und Acrylmalerei, die von Hand gefertigt wird, im postdigitalen Zeitalter tatsächlich nicht mehr so bedeutend? Oder ist sie immer noch etwas ganz Besonderes, eine einzigartige "persönliche emotionale Erfahrung", in einer Zeit, in der Künstler:innen lieber mit der Nähmaschine und anderen hybriden Mitteln als mit dem Pinsel malen? Letzteres scheint, wie man weltweit im Rahmen der Globalisierungstendenzen beobachten kann, kein ausschließlicher Garant des gegenwärtigen "malerischen Diskurses" zu sein. Die Frage, ob die Malerei noch etwas über die menschliche Existenz aussagen kann, steht im Raum. Eine Ausstellung mit dem Titel "Conditio Humana" stellte Georg Frauenschuh, der auch als Maler tätig ist, mit acht Positionen unterschiedlicher „Ausrichtung, Erfahrung und Bekanntheit“ für die Künstler:innenvereinigung Maerz zusammen. Dabei beschränkt er sich auf Künstlerinnen und Künstler, die im Laufe ihres Schaffens auf unterschiedliche Weise mit der Linzer Kunstszene verbunden waren. Außerdem lehrt Frauenschuh selbst Malerei an der Linzer Kunstuniversität.

Vielleicht ist es doch kein Zufall, dass man in der Stadt, in der alljährlich das High-Tech-Festival Ars Electronica stattfindet, auf die Idee kommt, sich den Tendenzen zu widersetzen, die traditionsreiche Malerei in prinzipiell unbegrenzte Ebenen des Un/Möglichen ausufern lassen. Man hinterfragt, ob das alles wirklich notwendig ist. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Bestrebungen, "gegensätzliche Aspekte" der eigenen subjektiven Erfahrungen und Erlebnisse in einem alten Medium festzuhalten und als beispiellos zu begreifen. Man denke nur an lange Gefechte zwischen Malerei und Fotografie oder in jüngerer Zeit an die Auseinandersetzungen zwischen Hollywood und Netflix.

Aber auch in dieser Ausstellung beschränken sich die Künstler:innen nicht allein auf die Leinwand als Bildträger. Sie lassen ihren Emotionen und Befindlichkeiten immer wieder freien Lauf. Im ersten Raum der Präsentation fallen auf einem Podest zwei mit "lässigen" Mustern und Flächen bemalte Plastikstühle ins Auge. So werden die Alltagsgegenstände zu einem einheitlichen "Ding" verbunden. Ob sie nun Bilder sind oder sein wollen, ist dabei eigentlich unentschieden. Noch einen Schritt weiter als Katharina Höglinger geht Gerlind Zeilner in ihrer Untersuchung der Malereieffekte. Dabei markiert sie mit den für sie typischen, abstrakten Gesten diesmal auch Objekte des Alltags, wie eine aus den Angeln gehobene weiße Tür. Dazu hat sie auf einer weißen Leinwand noch einmal die gleiche Tür gemalt. Und jetzt dürfen wir uns entscheiden: Die reale Tür führt nirgendswo hin und von den gemalten wissen wir nicht, wohin sie führen. Also dann wohin?  Auch Isa Schmidlehner hat sich für ihre neuen Arbeiten von klassischen Bildträgern verabschiedet und malt jetzt auf Kupfer, einem Metall, das unverzichtbar ist für digitale Kommunikationssysteme. Mit ihrem feinen Pinselstrich verschlüsselt die Malerin ihre persönlichen Botschaften. Diese finden sich in kollektiven Geschichten und Erfahrungen der Gegenwart wieder, ohne dass man sie sofort erkennt. Schmidlehners femininen Werke heißen mal "Corporeal", mal "Vessel".

In seinen großformatigen Bleistiftzeichnungen auf Papier, die Malerei vortäuschen, beschäftigt sich Leo Lunger mit dem Einfluss neuer digitaler Technologien auf unsere Wahrnehmung und Psyche. Dabei spielt der PC als zentrales Element immer eine Rolle. Die jüngste Teilnehmerin der Ausstellung, Michaela Jank, übersetzt hingegen ihre expressive malerische Handschrift direkt in die skulpturale "Schmerzfigur" aus Ton, Stoff und Wachs. Die dargestellte weibliche Puppenfigur, deren überlange Beine und nachtschwarze Haare eine gewisse „dramatische“ Ähnlichkeit mit einem Nachtmahr aufweisen, befindet sich in einer Ecke, wobei eine Wand nahezu als Versteck dient. An dieser Stelle sei auf das berühmte Gemälde von Johann Heinrich Füssli verwiesen. Ebenfalls in Janks Kleinbildern mit ausgeweidetem Tierkörper ist jeweilige dämonische Stimmung deutlich spürbar. In ihren "Weltschmerzbildern" lauert aber gleichsam ein Hauch Hoffnung, der von kleinen Blümchen verkündet wird. 

Die in der Ausstellung Conditio Humana in wechselnder Anordnung und immer neuen Kombinationen präsentierte Diversität der Malerei, beweist, dass der Klassiker auch weiterhin ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten bietet, ohne in eine "gehaltlose" Richtung abzugleiten. Man braucht nur Geduld.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Conditio Humana
04 - 24.09.2024

Künstlervereinigung Maerz
4020 Linz, Eisenbahngasse 20
Tel: +43-732/77 17 86
Email: galerie@maerz.at
http://www.maerz.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 15–18, Sa 13-16 h


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