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2 x Wahlverwandt

Mike Kelley & John Miller sowie Heimo Zobernig & Lázló Moholy-Nagy bei Nagel Draxler, Berlin

Wenn alles gesagt ist, folgen die großen Gefühle. Und alle sehen zu, seit Jahren. Die von Richard Sennett formulierte Bezeichnung von Tyrannei der Intimität trifft es wohl am besten, was in Reality Shows und in den sozialen Medien, abläuft. Emotionale Regungen aus nächster Nähe, da bleibt kein Auge trocken. John Miller mit seinem Faible, derlei populäre Phänomene der Alltagskultur offen zu legen, verewigt eben jene Bildschirmmomente seit Jahren auf Leinwand. „Everything is said“ ist der Titel einer Serie, von denen nun zwei Werke aus dem Jahr 2009 bei Nagel Draxler, in Berlin zu sehen sind. Zum gleichsam Markenzeichen des Künstlers allerdings wurden Installationen und Objekte, denen die pastose Verwendung eines eher eklige Assoziationen hervorrufenden Brauns ist. Ives Klein mag sein signaturhaftes Blau haben, John Miller steht für dieses bestimmte Braun, mit dem er allerlei überzieht oder es installativ häufchenweise im Raum verteilt. So trifft man seit 1992 immer wieder auf einen nicht ganz makellosen (Schaufenster-)Helden, dem so ein brauner Klumpen, gefolgt von weiteren, wie ein Klotz am Bein haftet. Bekleidet mit einem aus der Zeit gefallenen Schwimmtrikot, verarztet mit einem Heftpflaster an der Backe. Immerhin lautet der Titel hoffnungsfroh „ Now we're big potatoes“.

Gegenübergestellt wird in der Doppelschau eine 7-teilige Arbeit „Paintings in Time“ des lebenslangen Studienfreundes & Kollegen Mike Kelley. Zwischen den Jahren nennt man hierzulande jene Tage zwischen Weihnachten und Silvester, Tage, die zumeist der Familie gehören oder aber der Einsamkeit. Auch hier scheint der Blick dem Innenleben geschuldet, 6 Tage gilt der Fokus auf den Ovalen den Körpersäften, die durch die Eingeweide zu wabern scheinen, das siebente Oval ist halbiert, da trifft man sich wieder zum Jahreswechsel. In Anbetracht der Tatsache, dass der Künstler 2012 eben an jenen Tagen aus dem Leben geschieden ist, erscheint die Arbeit als dunkler Ausblick in die Zukunft.

Über die Straße, im Crypto Kiosk der Galerie, finden noch bis zum 31. August Arbeiten von Heimo Zobernig und László Moholy-Nagy zueinander. 2019 war der seit 86 Jahren verschollener Experimentalfilm „Tönendes ABC“ von Moholy-Nagy (1933) aufgetaucht, in dem der gebürtige Ungarn ein Alphabet aus laufendem Bild und Ton entwickelt, Zobernig seinerseits reagiert darauf mit dem tonlosen Video „ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ“ aus dem Jahr 2023, doch versteht sich die Arbeit durchaus selbstreferenziell, gehört die serifenlose Helvetica doch zu den Markenzeichen des Werkes von Zobernig.

Moholy-Nagy ist dann noch mit einer Edition seiner „Telephon-Paintings“ vertreten, für die der Künstler bereits 1922 telefonisch die Koordinaten und Farben für eine in ihrer Größe variablen Emailtafel durchgegeben hatte und das mit Briefschach verglich. Nicht nur deshalb bilden Zobernigs Notate auf karierten Papier einen direkten Vergleich dazu. Darüber hinaus zeugt eine Auswahl von Arbeiten auf Papier von gestischen wie geometrischen Farbexperimenten des Künstlers der letzten 40 Jahre und eine überaus konsequente (Zusammen-)Arbeit der Galerie.

Mike Kelley & John Miller
26.04 - 22.06.2024
Galerie Nagel Draxler
10178 Berlin, Weydinger Strasse 2/4

Heimo Zobernig & László Moholy-Nagy
26.04 - 31.07.2024
Nagel Draxler Crypto Kiosk
10178 Berlin, Rosa-Luxemburg-Straße 33


Tel: +49 30 40042641
Email: berlin@nagel-draxler.de
http://nagel-draxler.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 14- 18

Mehr Texte von Daniela Gregori

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