No More, Not Yet: This is a text. Is it?
Eine Holzwand, groß genug um als Wand, also Ausstellungsfläche durchzugehen, aber gekippt an den hohen Wänden eines ehemaligen Schwarzenberg'schen Repräsentationsraums lehnend, als ausgewiesenes Ausstellungsstück also, auf dieser Holzwand eine weiße Tafel, klein im Vergleich mit der Wand, aufgeklebt auf dieser Tafel schwarze Buchstaben, das Wort "Objekt" bildend, darunter auf selbiger Tafel eine weitere Tafel, die auf unterliegender befestigt ist und von dieser gerahmt wird, auf dieser obersten Tafel nun zwei Buchstabenfolgen, von denen die obige "word" buchstabiert, die untere ein mit klarer Linie durchgestrichenes "Objekt". Immer wieder gut, also eine sichere Wette, so eine Arbeit wie "Untitled" (2024) von Heinrich Dunst, die die Metamorphosen, multiplen Seinsweisen und Undefinierbarkeiten von Gegenständen der Sprach- und Dingwelt demonstriert.
Die drei Galerien KOW (Berlin), LambdaLambdaLambda (Prishtina) und Simone Subal Gallery (New York) haben sich zu ihrer dritten von vier gemeinsamen Ausstellungen in Räumen der Familie Schwarzenberg mit anhängendem idyllischem Garten und Blick auf den dem Namen nach familieneigenen Schwarzenbergplatz zusammengetan und zeigen Arbeiten von neun Künstler*innen. "Not more, not yet", so der Titel der Gruppenausstellung und es sind eben solche Momente des Übergangs und der Schwellen, die sich aus den einzelnen Arbeiten herauslesen lassen.
Da sind zum Beispiel Malereien von Nova Jiang, die zu einem Bild verdichtete Entwicklungsschritte zu zeigen scheinen, vom Apfel, über die Verwesung, die Verdauung, die Ausscheidung hin zum Fliegenschwarm; oder vom Körper ins Grab, zur Erde, zur Blume. Was hier ein bisschen nach Biologie klingt, ist übrigens ins Metaphysische gekippt, zeigen sich die beschriebenen Formen der Umwandlung doch eigentlich in einem Bild einer einen madigen Apfel essenden Frau, der Fliegen aus dem Mund fliegen ("Toll", 2024) beziehungsweise zweier glatthäutiger Hände, die aus frischem Erdreich herausragen und zwei Blumenblüten hochhalten ("Incubator", 2024).
Eine ausgesprochen realpolitische Tonart schlägt Alice Creischer an, von der die älteste Arbeit in der Schau stammt (1998), die in beider Hinsicht, inmitten junger bis sehr junger Werke, denen das Poetische und Theoretische, semantisch Offene, näher ist als das ausgesprochen Eindeutige, aus der Reihe tanzt. "Untitled" legt in Form eines schematisierten Eichenbaums Wurzeln und Krone der Nazi-Figur Alois Brunner offen, die demnach, hier verkürzt, sind: Nazi erster Stunde und zentrale Figur bei Deportationen und Ermordungen Hunderttausender (Wurzeln), nach dem Krieg durchaus vom deutschen Geheimdienst als Kontakt in Syrien geschätzt und gedeckt (Krone). Wandlung von wegen, klingt hier durch.
Es wird ansonsten viel mit Sprache gearbeitet, Hanne Lippard ist mit drei kleinen Spiegeln (in deren Gravuren auf Flüche verwiesen wird, eine Spielart der Performativität von Sprache...) sowie einer Soundarbeit vertreten, die sich allesamt mit Sprache als Bild und Sprache als Klang beschäftigen, auch hier hat es etwas demonstratives wie bei Dunst, wie zum Beispiel ein Satz wie "Exists exist" durch immer schnellere Wiederholung zu semantisch entleerten Zisch- und Knacklauten wird ("Portals", 2024). Nora Turato stellt Frage und Aufforderung mit folgendem Sprechlaut in den Raum: "Got a reactive mind? Cleanse it, perfect it, make it right!" (2024). Und Frank Heath beendet eines seiner drei Videos, das aus Werbeclips für Produkte zum Schutz in Gefahrensituationen zusammengeschnitten ist (von Apokalypsen biblischen Ausmaßes über Einbruchsszenarien bis zur Gefahr vom Schoß fallender Snackschüsseln) mit den Worten "Interpret it Well" ("Protect your home (Interpret it Well)", 2022).
Was derzeit in vielen Ausstellungen, oft vor allem in Bezug auf Körperkonzepte verhandelt wird - die Notwendigkeit offenerer, inklusiverer, fluiderer Konzepte - findet sich also auch in "Not more, not yet" als eine Variation. Dabei wird oft mit Ausrufezeichen gearbeitet, die dem eigenen Anspruch zuwiderlaufen scheinen. Ein Fragezeichen kann manchmal prägender sein, wie wenn Hanne Lippard fragt: "This is a text. Is it?".
15.05 - 15.06.2024
Am Schwarzenbergplatz
1030 Wien, Rennweg 2
Email: amschwarzenbergplatz@gmail.com
Öffnungszeiten: Fr, Sa 12-18 h