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Letzte Grüße Peter Weibel

Als Peter Weibel am 1. März letzten Jahres wenige Tage vor seinem 79. Geburtstag und exakt einen Monat vor seiner Pensionierung als Direktor des Karlsruher ZKM starb, wurde er mitten aus einem aktiven, produktiven Arbeitsalltag gerissen (⤇ lesen Sie hier den Nachruf im artmagazine) . Unter anderen wollte ein Leseturm in Wien als Alterssitz realisiert werden, Ausstellungsideen gab es und -wie immer- Publikationen, an denen er als Herausgeber oder Autor maßgeblich beteiligt sein würde.

Der sechste und letzte Band seiner in jeder Hinsicht gewichtigen Enzyklopädie der Medien, wurde nun bei einer Gedenkfeier zum 80. Geburtstag und 1. Todestag in Karlsruhe präsentiert. Ebenso konnte nun auch der Katalog »respektive. Peter Weibel«, der letzten Personale, die im ZKM (2019–2020) und im MMCA Seoul/Korea (2023) zu sehen war, fertiggestellt werden. Erstmals wird in dem Band Weibels künstlerische Praxis in englischer Sprache dokumentiert. Jens Lutz und Philipp Ziegler, bis zuletzt engste Mitarbeiter ihres umtriebigen Chefs, haben das Werk noch gemeinsam mit ihm konzipiert und nun in aller Sorgfalt ediert. Neben Essays von Hans Belting, Bazon Brock, Boris Groys, Wolfgang Kemp, Friederike Mayröcker, Hans Ulrich Obrist, Pamela C. Scorzin, Peter Sloterdijk, Terry Smith, Siegfried Zielinski und dem Medienmeister selbst, folgt das Kompendium einer übersichtlichen Struktur, in der die einzelnen Werkgruppen vorgestellt werden, über QR-Codes mit Filmsequenzen auch von Weibel selbst. Einen schnellen Überblick in diesem umfassenden genreübergreifenden Werks liefert ein gelungener thematischer Index seiner Arbeiten nach Stichwörtern. Ob nun Aktionen, Filme, Installationen oder Skulpturen, briefmarkengroß sind die Werke mit Verweisen abgebildet und nach Schlagwörtern wie Spiegel, Feuer oder Stein zusammengefasst. Was seine Kunst anbelangt, hat man mit dieser Publikation den, bislang, ganzen Weibel.

Gleichzeitig mit den beiden Publikationen, die in Karlsruhe posthum fertiggestellt wurden, konnte in Wien ein vielgestaltiges Kompendium über das Hotel Morphila Orchester finalisiert werden. Auch hier war Peter Weibel bis zu seinem Ende beteiligt, ein Foto zeigt ihn mit Loys Egg bei den Korrekturen des Buches im September 2022, 2023 hat er noch das Vorwort verfasst. Herausgegeben wurde es nun von seiner Lebensgefährtin Susanne Widl.

Konsterniert von der Marginalisierung von Performance, Konzept- wie Medienkunst, uninteressiert an Malerei und dem kommerzialisierten Kunstmarkt suchte Weibel Ende der 1970er „eine Annäherung an andere rebellische Ausdrucksformen“, und fand 1978 in Loys Egg hierfür einen kongenialen Partner. Auch Egg war an der Angewandten beschäftigt, gemeinsam machte man Kunst, vor allen Dingen in Zusammenhang mit Musik in einer „avantgarde-gertiebenen Rock-Band“. Weibel zeichnete für Text und Gesang verantwortlich, Egg für Komposition und Gitarre, weiters waren Paul Braunsteiner, Günther Dinold, Franz Dorfner, Franz Machek und Wolfgang Stelzer mit von der Partie. Der Rest ist Kult. „Die schönsten Strophen sind die Katastrophen“ vereint nun von den Anfängen bis zum letzten Konzert die Texte, deren Manuskripte, allerlei ephemere Druckwerke, in Fachmedien und der lokalen Journaille Publiziertes, Fotografiertes, sowie manches Unbekannte zu einer kurzweiligen Zeitreise durch eine (überwiegend) Wiener Szene.

Neben all den Tätigkeiten Weibels gehörte „Büchermachen“ wohl zu seinen liebsten Beschäftigungen. Man sieht es auch diesen letzten Bänden an. Doch, auch das gilt es einmal mehr festzuhalten, hinter dem genialen, stets aktiven, stets gehetzten Weibel, der Deadlines für gewöhnlich ignorierte, standen in Wien wie in Karlsruhe stets kompetente, belastbare Menschen.
In Hinblick auf den gewaltigen, bislang unbearbeiteten Nachlass, könnte man einfach so weitermachen.

Die Bücher:
»Peter Weibel: Art as an Act of Cognition« Herausgebende Institution: ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe Herausgeber: Jens Lutz und Philipp Ziegler mit Clara Runge, Stephanie Stadler und Patrick Trappendreher Verlag: MIT Press, Cambridge, MA / London, England Sprache: Englisch Seitenzahl/Abbildungen: 576 S.; ca. 1200 Ill.; 35 eingebettete Videos Ab Sommer 2024 im Buchhandel, ab sofort für 69,00 Euro im ZKM | Shop erhältlich

Enzyklopädie der Medien / Theorie und Medien: Peter Weibel. Herausgegeben von: Universität für angewandte Kunst Wien, ZKM/Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe 380 Seiten, 100 Abb. Broschur 245mm x 165mm
ISBN: 978-3-7757-3875-0

Hrsg. Susanne Widl, Hotel Morphila Orchester – die schönsten Strophen sind die Katastrophen, Konzept: Loys Egg & Peter Weibel , Texte:Peter Weibel, Gestaltung: Loys Egg. Hardcover, 30 x 25 cm, 287 Seiten mit zahreichen Farb- und SW-Abbildungen. Wien 2024
ISBN 978-3-99153-080-0

Mehr Texte von Daniela Gregori

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