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Nancy Holt: Circles of Light: Episode mit Pionierin

Eine Retrospektive zum Oeuvre der Land Art-Pionierin Nancy Holt (1938-2014) ist nur zu begrüßen: Auch wenn es keines der großen Hauptstadtmuseen, sondern der von den Berliner Festspielen betriebene Martin-Gropius-Bau ist, der die von Clara Meister und Lisa Le Feuvre von der Holt Smithson Foundation kuratierte Schau „Circles of Light“ ausrichtet. Denn nach wie vor ist die kunsthistorische Erzählung der Land Art männlich besetzt. Die Großprojekte eines Michael Heizer, Walter de Maria und, allen voran, Robert Smithson bestimmen bis heute das Bild des Genres als – durchaus problematischer – Feldversuch, den institutionellen und kommerziellen Ausstellungsapparat hinter sich zu lassen beziehungsweise ihn so auszuweiten, dass sich künstlerische Intention und deren möglichst unmittelbare Erfahrung untrennbar mit einer geografisch, klimatisch oder environmental spezifischen Ausnahmesituation verbindet. Wer Land Art im Sinne ihrer Erfinder:innen live und direkt erleben will, muss nämlich schon zu den entsprechenden, oft entlegenen „sites“ selbst reisen. So auch zu Holts „Sun Tunnels“ in der Great Basin Wüste, Utah, oder ins finnische Nokia.

Anders als ihre Kolleginnen Alice Aycock oder Ana Mendieta hat Holt das Glück, dass sich die einst von dem deutschen Galeristen Heiner Friedrich und Schlumberger-Erbin Philippa de Menil ins Leben gerufene Dia Foundation seit 2018 um ihr zwischen 1973 und 1976 realisiertes Hauptwerk kümmert. „Sun Tunnels“ besteht aus vier riesigen Betonröhren mit knapp drei Metern Durchmesser und fünfeinhalb Metern Länge, die zusammen eine X-Form ergeben. Unterschiedlich große kreisrunde Aussparungen in den Röhrenwänden geben Sternenbilder wieder, die bei einfallendem Licht ein bezauberndes Lichtspiel erzeugen, wie es heißt. Das zeigt zudem, wie abhängig Land Art von potenten Finanziers war und ihr Erhalt weiterhin ist. Gleichwohl wollte sie die „bessere“ Alternative zu einer Kunst sein, die sich zuvor als Malerei und Skulptur nur um den Preis ihrer entfremdeten Warenform in Galerien und Museen erleben ließ. Aus kunsthistorischer Distanz betrachtet, blieb die Land Art aber zurecht Episode.

Zwar erfand Holts früh verstorbener Ehemann Robert Smithson das Konzept der „non-site“ als galerietaugliche Kompromisslösung: eine aus Gesteinsproben, Spiegeln, Foto- und Kartenmaterial installierte Ausstellungsform, die auf die echten „sites“ schließen ließ, die dem Künstler für seine Recherchen und Interventionen vor Ort am Herzen lagen.

Methodisch ist es dennoch anspruchsvoll, museumstauglich zu machen, was nicht ins Museum wollte, und die Werke andererseits zu den spezifischen Bedingungen zu zeigen, die gerade diese Kunst einer Nachwelt aufgibt, der das Kaufen längst selbst als letztes authentische Erlebnis genügt.

Gut, dass Holt neben ihren „earthworks“ fotografische Zyklen, Videos aber auch experimentelle Poesie per Schreibmaschine auf Papier realisiert hat. Die versammelt die Ausstellung in einem großzügigen Parcours nebst eleganten Licht-Skulpturen der 1980er-Jahre. Vieles profitiert von der Schönheit des Schlichten – etwa, wenn Holt ephemere Fußspuren ihrer Freundin Joan Jonas im Sand fotografiert –, sieht mit Blick auf den gegenwärtigen Stand der Kunst aber auch schon ganz schön „vergangen“ aus.

Was die Arbeiten einst historisch dringlich und ästhetisch wegweisend gemacht haben mochte, bleibt in der kuratorischen Vermittlung blass. Schade, dass gerade über die Ökonomie dieses Werks nichts zu erfahren ist: Schließlich stellt man nicht jeden Tag Betonröhren in der Wüste auf. Dass die arg blumig geratenen Saaltexte Holts Arbeit zudem zur umweltbewussten Öko-Kunst stilisieren, sagt mehr über den heutigen Ausstellungsbetrieb als über die kunsthistorische Relevanz des Gezeigten aus.

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

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Nancy Holt: Circles of Light
22.03 - 21.07.2024

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