Hanne Darboven & Rosemarie Trockel - Early Birds: Wo ist der Wurm?
Ohne Konzeptualität keine Gegenwartskunst, heißt es, frei nach dem Philosophen Peter Osborne – und zurecht. Die Zuschreibung des Konzeptuellen an die Kunst sagt zwar lang schon nichts mehr über deren Wesen, Qualität und Wirkung aus. Dass sie in den 1960er-Jahren „konzeptuell“ wurde, leitete einst aber tatsächlich einen ästhetischen, medialen und institutionellen Paradigmenwechsel ein. Der ist so tief in unseren Umgang mit ihr eingesickert, dass wir es selbst sind, die heute mit unseren Erwartungen, was Kunst sein, wozu sie gut sein kann, zu ihrer fortgesetzten Konzeptualisierung beitragen. Sie wollen ein Beispiel? Wie wär‘s mit jener selten nennenswerten Kunst, die sich, auf den Biennalen dieser Welt verbreitet, allzu gern als Aktivismus versteht und dafür per se schon für wichtig und richtig genommen werden will – egal, wie sinnvoll die aktivistisch angestrebten Ziele eigentlich sind, und für wen genau?
Solche in ihrem illusionären Verwirklichungswunsch zugleich von sich wie von den sozialen Realitäten abgetrennte Kunst ist fast nur auf Basis der einst durch den Konzeptualismus ausgelösten Trennung künstlerischer Absicht von seiner Realisation zu erklären: Was als ästhetische Errungenschaft einst auch in gesellschaftlichem Sinne emanzipatorisches Potenzial freisetzte, hat uns seither verlernen lassen, zwischen dem Modus des „als ob“ und barer Münze zu unterscheiden.
Immerhin gibt es neben dem Großausstellungswesen noch Galerien mit ihrem ausgewiesen privatwirtschaftlichen Interesse an der Kunst. Statt einer besseren Welt, versprechen sie sich schlicht Umsatz – ein bescheidenes, aber wertsicherndes Ziel.
Das kann in der Anwendung durchaus zu sehenswerten Ausstellungen führen: „Early Bird“ etwa, bei Crone in der Berliner Fasanenstraße, mit Arbeiten der Konzeptualismus-Pionierin Hanne Darboven (1941-2009) und der oft, wenngleich eher aus Verlegenheit als „konzeptuell“ wertgeschätzten Bildhauerin Rosemarie Trockel (Jg. 1952).
In galeristischem Eigensinn, erinnert das einerseits an die lange Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen: Darboven ist seit 1983 im Programm, während Trockel 1982 bei Crone ihr Ausstellungsdebüt gab und, laut Galerist Markus Peichl, an dieser archivlastigen Präsentation tatkräftig mitgestrickt hat. Andererseits schnürt die Schau das Bündel „Konzeptualität“ sozusagen gegen den historischen Zeitstrahl auf, indem sie in den Fokus nimmt, wie alles begann.
In Darbovens Fall ist das Highlight eine objekthaft von der Decke abgehängte, sagen wir, Zeichnung. „Konstruktion/Perforation II“ stammt aus der frühen New Yorker Zeit der Künstlerin und lässt sich als selbstständige, einem komplexen Regelsystem verpflichtete abstrakte Komposition ebenso interpretieren wie als Plan, der nach seiner architektonischen Umsetzung verlangt. Diese Option hatte die konzeptuelle Kunst mit ihren Notationen einst eröffnet: Zeit, Raum, Sein und Erfahrung in ihrer gestaltbaren Relationalität als Modell anzusprechen, das verwirklicht werden kann, aber nicht muss. Damit trug sie zur Selbstaufklärung der Kunst bei, die in sich seit jeher ja das Problem ihrer Vermittlung austrägt: wenn Ideen, frei nach Harald Szeemann, Form werden wollen, und damit durch das Nadelöhr einmal der Materialisierung und zweitens der Kommunikation mit ihren Rezipient:innen müssen. Prima zu sehen, dass Trockel – mit einer großen Auswahl ihrer seit Anfang der 1980er-Jahre entwickelten fiktiven Buch-Cover sowie einer Sammlung Skizzen (1990-2014) – zugleich daran erinnert, dass Künstler zwar jede Menge charmanter Ideen haben, nicht jede zu jeder Zeit aber gleich gut sein und dringlich realisiert werden muss.
26.04 - 15.06.2024
Crone Berlin
10719 Berlin, Fasanenstraße 29
Tel: +49 30 54 85 848-0
Email: info@galeriecrone.de
http://galeriecrone.com/
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-18, Sa 11-15 h