Cao Fei. Meta-mentary: Hug Yue
Wenn man die lange Halle des unterirdischen Kunstbaus des Münchner Lenbachhauses betritt, betritt man einen stillen, isolierten Raum. Auf Linie mit den Konventionen von Ausstellungsräumen ist es doch bemerkenswert, fahren doch nur wenige Meter darunter die U-Bahnen in die Station Königsplatz ein und aus. Dies gilt umso mehr, als dass die Außenwelt in Form des langgestreckten Grundrisses des Raumes, der Säulen und der leichten Wölbung, die an den darunter liegenden Bahnsteig erinnert, in den Raum eindringt. Eine große Glasfront gibt schließlich am hintersten Ende den Blick auf die Pendler frei, die mit der Rolltreppe ab- und zufahren, alle auf dem Weg, alle in einer Passage.
Cao Feis Münchner Ausstellung "Metamentary" legt den Fokus ganz auf diese Gleichzeitigkeit von Kontakt und Isolation und ihre sehr unterschiedlichen Formen der Wirkung auf den Menschen. Tief verwurzelt in der postdigitalen Praxis, beschränkt Cao Fei ihre Untersuchungen dennoch nicht auf den virtuellen Raum, obwohl sich viele Arbeiten mit Umgebungen wie dem 2002 gegründeten Online-Universum Second Life beschäftigen und dessen Möglichkeiten ausnutzen. Vielmehr bietet Fei auch Untersuchungen von gebauten Realitäten an, wie ein Theater in einem ehemaligen Industriegebiet, das vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking stillgelegt wurde und vorher ein Zentrum chinesischer Technologieproduktion nach russischem Vorbild war. Ihre Arbeit "Hongxia" (2019) archiviert Architektur, Objekte und Administration, um die herum sich das soziale Leben abspielte und an das von ehemaligen Bewohner:innen und Verantwortlichen erinnert wird. Bereits hier wird der Aspekt der (äußeren) Einflussnahme auf die Strukturierung des Gemeinwesens (und der Industrie) betont - Entwürfe für Wohnungen und Produktionsanlagen stammten aus Russland, die Implementierung stieß allerdings auf Widerstände. In ähnlicher Weise handelt "MatryoshkaVerse" von der Grenzstadt Manzhouli, in der China und Russland aufeinandertreffen. Der Vergnügungspark der Stadt, bringt die weit entfernten Moskauer Sehenswürdigkeiten vor Ort. Der räumliche Sprung wird begleitet von Ansichten des Naturhistorischen Parks, in dem riesige Mammuts die Vergangenheit aufleben lassen. Während diese Grenzübertritte forciert werden, bedeutet der bewachte Grenzzaun an beider Länder Staatsgrenzen unmissverständlich das Gegenteil; und die Verlassenheit der Orte ein Scheitern.
Das Bedürfnis der Menschen nach Beziehungen findet schließlich seine eindrücklichste Form nicht in den Filmaufnahmen aus der Covid-Zeit, in denen die Bewohner:innen Pekings ihr Leben den Vorschriften anpassen und die örtlichen Parks nutzen, um der Isolation zu entkommen (A Holiday, 2022). Auch nicht im Film über die Mutter der Künstlerin, die den Covid-bedingten Tod ihres zweiten Mannes betrauert, und die Grenze zwischen Leben und Tod, die hier ihre schmerzhafte Durchlässigkeit offenbart, durch Formen der Trauer zu überwinden sucht (Still Alife, 2023). Sondern in einem Film, der innerhalb von Second Life "gedreht" wurde. Das teils als Musikvideo, teils als Aufnahme eines Chats zwischen Feis Avatar "China Tracey" und einem "Hug Yue" angelegte "i.Mirror" (2007) bringt es auf den Punkt: "Das Virtuelle und das Reale überschneiden sich". Und das macht einen schier unwiderstehlichen Reiz aus.
Die Beobachtung der Sehnsucht der Menschen nach emotionalen Transaktionen spiegelt sich in gewisser Weise in der Ausstellungsgestaltung wider, die voller Requisiten ist, und Brücken zwischen dem Ausstellungsraum und der "realen Welt" schlagen. Die zahlreichen Arme einer riesigen Krakenattrappe, auf die man trifft symbolisieren dieses Ausgreifen ebenso. Und den vielen unorthodoxen Sitzmöglichkeiten (Campingstühle, Leuchtkuben, Schaumstoffmatten, Sitzbälle) nimmt man es ab, dass sie nicht rein logistische Notwendigkeit des Ausstellungsmachens sind, sondern eine Aufforderung beinhalten.
In der Mitte des Raumes ist ein Badmintonfeld aufgebaut, umweht von der Aura aller Kunstausstellungsdistanziertheit. Gut, dass die Ausstellung nicht auf die Interaktion der Besucher:innen angewiesen ist, sondern das Gespräch selbst führt, in den zahlreichen Formen, auf die man in den Werken Cao Feis trifft.
13.04 - 08.09.2024
Lenbachhaus Kunstbau
80333 München, U-Bahnhof Königsplatz
Tel: +49 89 233 969 33
Email: lenbachhaus@muenchen.de
http://www.lenbachhaus.de
Öffnungszeiten: Di - So 10 - 18 h, Do 10 - 20 h