Auf den Schultern von Riesinnen: Die Zeiten gendern sich
Die Geschichte neu erzählen. Was lohnt sich, archiviert zu werden? Wer entscheidet das? Wer sind die Hauptcharaktere in unserer (Kunst-)Geschichte? (Männer)
Weibliche Namen werden oft nonchalant unter den Tisch fallen gelassen, egal, ob wir über bildende Kunst reden, über Literatur oder Musik.
Es ist ein historischer Lückentext, den es auszufüllen gilt. Die Kuratorin Nina Schedlmayer nutzt dafür 15 weibliche Positionen, die sich alle in eine feministische Tradition einreihen. Das Vermächtnis derer würdigen, die uns auf die ein oder andere Weise großgezogen haben – von Artemisia Gentileschi bis zur eigenen Oma. Ihre Orte, Gedanken, Leben werden rekonstruiert und endlich wird mal nur über sie geredet, endlich dürfen mal nur sie reden. Die Ausstellung ist ein Bechdel-Test der Kunstgeschichte, und die Kunstgeschichte besteht ihn eher selten.
Das soll sich ändern - und zwar nicht nur in Hinblick auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Zukunft. Es zeigt sich, dass wir auch mal ganz dreist nur über die weibliche Seite reden müssen, denn die andere wurde zur Genüge erzählt.
Die Auswahl der Werke wirkt stringent, alle beschäftigen sich irgendwie mit den gleichen Dingen: Fragen aufwerfen, auswerten, ausstellen – und diese dann auch beantworten.
Mir bleibt allerdings eine Frage offen. Ist es wirklich noch im Zeitgeist, weibliche Geschichte ausschließlich von Cis-Frauen über Cis-Frauen erzählen zu lassen? Die Installation “Futurefeminismus” von Anna Meyer beschäftigt sich zwar unter anderem auch mit Queer-Feminsimus, dennoch ist das nur ein kleiner Teil in der Ausstellung. Und die Ausstellung ist nur ein Bruchteil von dem, was Feminismus bedeuten kann oder vielmehr sollte. Wenn wir in unserem Lückentext nur ein paar der leeren Stellen ausfüllen, bleiben ganze Abschnitte weiterhin nicht leserlich. Wir können nicht verändern, wie in der Vergangenheit über Kunstgeschichte geredet wurde, aber wir können es nun anders machen. Wir können dafür sorgen, dass sich in Zukunft niemand mehr vom Narrativ ausgeschlossen fühlt. Es ist aller Ehren wert, dass nun endlich die Frauen ans Wort kommen, aber das bedeutet nun mal nicht nur Cis-Frauen. Auf den Schultern von Ries*innen ist nämlich genug Platz für ein Gendersternchen.
08.03 - 09.06.2024
Künstlerhaus Vereinigung
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