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...auf einmal diese Farbigkeit

Ein leicht aufgeregtes Raunen ging kürzlich durch die Kunstszene, als das Wiener Auktionshaus Im Kinsky zu einer Pressekonferenz ins Stadtpalais Liechtenstein geladen hatte, um eine „weltweite Sensation“ zu verkünden. Ein wiederentdecktes Damenporträt von Gustav Klimt sollte präsentiert werden, ein der Aussendung beigefügter Ausschnitt ließ en détail ahnen, von welcher Farbigkeit das späte Werk en gros ist, und findige Köpfe fanden schnell heraus, zu welchem bislang lediglich in einer S/W-Abbildung publizierten Damenbildnis der Teaser wohl gehört. Margarethe Constance Lieser müsste es sein, konnte man lesen und, so wurde ebenfalls schnell geurteilt, es handle sich auf jeden Fall um eine restituierte Arbeit, die Familien aus Kanada und den USA nun zur Versteigerung bringen wollten. Beides stellt sich nun als unrichtig heraus.

Das „Bildnis Fräulein Lieser“ hat seit der Entstehung 1917/18 - es befand sich beim Tod von Klimt noch unter rund 10 unvollendeten Werken im Atelier - das Land, womöglich auch die Stadt nie verlassen. Ausgestellt wurde es bislang erst einmal und zwar 1925 bei einer Klimt-Retrospektive in der Neuen Galerie von Otto Nirenstein (Kallir). In diesem Zusammenhang entstand auch das vielfach publizierte einzige S/W-Foto. Auf der Karteikarte zum Negativ, heute im Bildarchiv der ÖNB, wurde dazu angemerkt: 1925 in Besitz von Frau Lieser, IV., Argentinierstraße 20 - ein Fakt, der bislang in der sonst eher akribisch geleisteten Klimt-Forschung nicht beachtet wurde. Auch von den führenden Klimt-Exegeten und Werksverzeichnisautoren Dr. Tobias Natter und Dr. Alfred Weidinger, stellt das Auktionshaus mit einer gewissen Häme fest, wäre eine entsprechende Überprüfung der Fakten nicht geleistet worden. An der Adresse jedenfalls wohnte die Tante von Margarete Constance. Sie war es wohl, die Klimt für ein Porträt einer ihrer beiden Töchter herangezogen hat - was alles viel mehr Sinn macht. Die mutmaßliche Auftraggeberin Henriette Amalie, genannt Lilly, Lieser bewegte sich als Mäzenin in den entsprechenden Kreisen. Ob es sich bei der Porträtierten nun um die 1898 geborene Helene, Österreichs erste promovierte Sozialwissenschaftlerin, handelt oder um die drei Jahre Jüngere Schwester Annie, einer bei Grete Wiesenthal ausgebildeten Ausdruckstänzerin, kann bislang nicht mit Sicherheit gesagt werden. Während die Mutter der beiden 1942 deportiert und ermordet wurde, überlebten die beiden Töchter in der Emigration. Die Ältere starb 1962 kurz nach ihrer Pensionierung in Wien, ihre Schwester zehn Jahre später in Los Angeles ohne Österreich jemals wieder betreten zu haben. Wo oder bei wem das Bildnis die Kriegs- und Nachkriegszeit überdauert hat, konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden. Laut der gegenwärtigen Eigentümerin wurde es in der Zeit der 50er oder 60er Jahre von ihren Eltern erworben und hing bis vor nicht allzu langer Zeit in deren Salon in der Nähe von Wien.

Jedenfalls, so Ernst Ploil, Jurist und Geschäftsführer des Kinsky: „Es existieren mithin keine Beweise hierfür, dass das Werk vor oder während des zweiten Weltkrieges geraubt, gestohlen oder sonst wie rechtswidrig entzogen worden ist.“ In diesem Zusammenhang verstehe sich von selbst, dass ein Zertifikat des Art Loss Register vorliegt.

Das Werk selbst, nachgerade ein Musterbeispiel eines späten (unvollendeten) Klimts, steht nun in aller kräftigen Farbigkeit für sich. Während die Klimt-Forschung diesbezüglich nun einmal mehr neu geschrieben werden wird, geht das Fräulein Lieser, bevor sie am 24. April mit einem Schätzpreis von 30 – 50 Millionen Euro in Wien zum Aufruf gelangt, auf Reisen: in die Schweiz, nach Großbritannien und HongKong. Ob sie danach wieder dauerhaft in Österreich verbleibt ist eher ungewiss. Eine Ausfuhrbewilligung des Bundesdenkmalamtes liegt vor. Womöglich nimmt die Dame einen lukrativen Posten als Botschafterin für Auslandskultur an.

--> Zur Website des Auktionshauses

Mehr Texte von Daniela Gregori

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